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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

Hoffnung und Zuversicht für 1 Million Jahre

Langfristige Ziele und ungewisse Entwicklungen im Prozess der Endlagerung

verfasst von : Rosa Sierra

Erschienen in: Entscheidungen in die weite Zukunft

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Im vorliegenden Beitrag gehe ich der Frage nach, ob Hoffnung und Zuversicht Kompetenzen zum Umgang mit Ungewissheiten darstellen und Grundlage von Umgangsstrategien mit anthropogenen Ungewissheiten sein könnten, insbesondere angesichts mittel- und langfristiger gesellschaftspolitischer Entwicklungen. Nach einer kurzen Darstellung der Kategorie der anthropogenen Ungewissheiten sowie der Idee transdisziplinärer Forschung als Grundlage für politische Entscheidung zum Umgang mit Ungewissheiten betrachte ich die Rolle der Hoffnung am Beispiel des Klimawandels. Anschließend beleuchte ich ein sicherheitsrelevantes Ziel bzw. einen sicherheitsrelevanten Zustand im Rahmen der Entsorgung hochradioaktiver Abfälle in Deutschland sowie die Akteur:innen in jedem dieser beiden Fälle: Zuversicht angesichts der Lernfähigkeit des Verfahrens sowie Hoffnung auf das Fortbestehen des rechtsstaatlichen Rahmens. Nach einer vertiefenden Betrachtung der Begriffe Zuversicht und Hoffnung argumentiere ich für eine positive Funktion der Zuversicht und weise auf die ambivalente Rolle der Hoffnung hin: Forscher:innen und Mitglieder der verantwortlichen Institutionen sind angehalten, ihre Zuversicht zu zeigen dort, wo sie angesichts der Entwicklung des lernenden Verfahrens begründet besteht. Das Fortbestehen eines demokratischen Rechtsstaats für den gesamten Entsorgungsprozess implizit vorauszusetzen, ist aber grundsätzlich zu vermeiden. Politiker:innen und Bürger:innen dürfen – im Sinne Kants – auf das Fortbestehen eines rechtsstaatlichen Rahmens dennoch hoffen, d. h. sie sollen daran weiter arbeiten trotz der Ungewissheit angesichts seiner Entwicklung.

1 Anthropogene Ungewissheiten und politische Entscheidungen

Der Endlagerungsprozess in Deutschland ist langfristig geplant. Wie sich die Rahmenbedingungen des Endlagersystems entlang des Prozesses sowie nach einem Verschluss des Endlagers verhalten werden, ist nicht bekannt. Die fehlenden Informationen darüber, „wie sich von Menschen direkt oder indirekt verursachte Veränderungen von Umwelt und Gesellschaft auf die Sicherheit des Endlagersystems auswirken“, werden von A. Eckhardt in ihrer Literaturstudie (2020, S. 47) als anthropogene Ungewissheiten bezeichnet. Sie gelten dabei als Spezialfall der Systementwicklungsungewissheiten, d. h. Ungewissheiten, die auf fehlender Information über das (gegenwärtige und künftige) Verhalten des Endlagersystems und seine Rahmenbedingungen beruhen. Zum heutigen Zeitpunkt wissen wir nicht, wie sich die Gesellschaft, ihre Subsysteme, insbesondere Politik, Recht und Wissenschaft und die geltenden Werte und Vorstellungen des guten Lebens, mittel- und langfristig verändern werden. Wir können daher auch nicht wissen, wie sich mögliche Veränderungen auf die Sicherheit des Endlagersystems auswirken werden, zumal das Endlager noch nicht bzw. „nur“ in der Planung existiert.
Eckhardt weist darauf hin, dass anthropogene Entwicklungen und damit verbundene Ungewissheiten im Safety Case (dem Sicherheitsnachweis) zur Langzeitsicherheit eines Endlagers ein relativ geringes Gewicht erhalten. Grund dafür ist u. a., dass sie nicht prognostiziert und daher nicht systematisch oder umfassend behandelt werden können. Zugleich soll die Option Tiefenlager „den Einfluss menschlicher Aktivitäten auf die Sicherheit des Endlagers minimieren“ (Eckhardt 2020, S. 49), sodass eine Behandlung möglicher anthropogener Einwirkungen nach Verschluss des Endlagers aus diesem Grund ausbleibt. Die Ausklammerung der anthropogenen Ungewissheiten scheint aus Eckhardts Sicht nicht gerechtfertigt, wenn der Safety Case einen Anspruch auf Ausführlichkeit erfüllen soll. Aus dieser Sicht ist fraglich, ob „ein ganzer Komplex wesentlicher sicherheitsrelevanter Entwicklungen im Safety Case ausgeblendet“ werden kann (S. 52).
Ein Einbezug anthropogener Ungewissheiten in den Safety Case ist aus mehreren Gründen eine komplexe Aufgabe. Zur Unsicherheit von Zukunftswissen (vgl. Grunwald 2024) kommt die Tatsache hinzu, dass ein Faktor der anthropogenen Entwicklungen das menschliche Handeln ist. Die Entwicklung der Gesellschaft beruht somit teilweise auf Entscheidungen1. Problematisch ist die Kontingenz der Entwicklungen2, die damit ins Spiel kommt und keine Vorhersehbarkeit erlaubt. Positiv ist hingegen die Möglichkeit, Entwicklungen zu beeinflussen, in eine Richtung zu lenken, v. a. wenn gemeinsam und auf der Grundlage von geteilten Gründen mitgewirkt wird.
Von den anthropogenen Ungewissheiten wird bisher vor allem das menschliche Eindringen in ein Endlager untersucht (Eckhardt 2020, S. 55 f.). Es wird „stellvertretend für direkte menschliche Einflüsse“ im Safety Case betrachtet und mit der Methodik der Szenarienentwicklung behandelt (Eckhardt 2021a, S. 7). Der allgemeine Umgang mit Ungewissheiten in einem Safety Case sieht unter anderem vor, die Ungewissheiten zu identifizieren, zu beschreiben, zu beurteilen und den weiteren Umgang mit ihnen festzulegen. Ein Ansatz für das Beurteilen von Ungewissheiten ist das vier-Felder-Schema, in dem folgende Kriterien aufgegriffen werden: die Sicherheitsrelevanz und Tragweite der Ungewissheiten sowie die Aussagequalität und das Behebungspotenzial derselben (Eckhardt 2020, S. 143 f.). Angewendet auf den Fall des menschlichen Eindringens in das Endlager ist die Empfehlung, die Aussagenqualität soweit möglich zu verbessern und eine ggf. politische Entscheidung zum weiteren Vorgehen mit den damit verbundenen Ungewissheiten zu treffen (S. 150).

2 Transdisziplinäre Forschung: Hoffnung und Zuversicht als Kompetenzen zum Umgang mit Ungewissheiten?

Ungewissheiten werden in politischen Entscheidungen auf dem Entsorgungspfad bereits thematisiert oder liegen ihnen implizit zugrunde (vgl. Eckhardt 2024). Eine diskursive Auseinandersetzung sowohl in der fachlichen als auch in der breiten Öffentlichkeit kann politische Entscheidungen vorbereiten und mitgestalten (vgl. Sierra und Ott 2022). Dieser Umstand spricht dafür, Ungewissheiten, über die politisch entschieden werden muss, transdisziplinär zu erforschen, d. h. in einer Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachdisziplinen und mit Einbezug der Öffentlichkeit bzw. von Praxisakteuren. Ergebnisse transdisziplinärer Forschung können politischen Entscheidungsträgern eine Grundlage für Entscheidungen bereitstellen, in die sowohl wissenschaftliches Wissen und Praxiswissen, als auch das Wissen von Betroffenen und Meinungen in der Öffentlichkeit bereits eingegangen sind. Dies kann eine Möglichkeit zum Umgang mit Ungewissheiten bieten, vor allem angesichts der Schwierigkeit, eine Gesamtbeurteilung von Ungewissheiten bei politischen Entscheidungen zu formulieren (vgl. Eckhardt 2024).
Zudem spricht für eine transdisziplinäre Forschung zu Ungewissheiten die Idee, dass „alle Menschen über ein vielfältiges Spektrum von Kompetenzen zum Umgang mit Ungewissheiten“ verfügen und „Ungewissheiten sich daher als Thema von [transdisziplinärer] Forschung: Co-Produktion und Co-Design“ eignen können (Eckhardt 2021b). Aus dieser Perspektive ergibt sich die leitende Frage dieses Kapitels, ob Hoffnung bzw. Zuversicht eine solche Kompetenz darstellen.
Ein Verständnis von transdisziplinärer Forschung, das auf Integration von Wissensbeständen aus unterschiedlichen Disziplinen und aus der Gesellschaft zielt, stellt in der Regel zwei Aufgaben: eine interdisziplinäre Erarbeitung von Fragestellungen oder Forschungsgegenständen sowie den Einbezug von Erfahrungs- und Praxiswissen (Vilsmeier und Lang 2014, S. 90) oder von wissenschaftsexternen Zwecken (Gethmann 2019, S. 21)3. Die Analyse der Begriffe Hoffnung und Zuversicht im vorliegenden Kapitel hat das Ziel, disziplinär eine Alternative zum Umgang mit anthropogenen Ungewissheiten zu erarbeiten, die für eine inter- und transdisziplinäre Erforschung von Ungewissheiten im Kontext der Endlagerung anschlussfähig sein kann im Sinne der beiden o.g. Aufgaben. Die disziplinäre Erarbeitung aus Sicht der praktischen Philosophie, insbesondere der politischen Philosophie und der Ethik stellt einen philosophisch reflektierten Begriff der Hoffnung bzw. Zuversicht zur Verfügung, der sowohl für die Praxis als auch für andere (zunächst sozialwissenschaftliche) Disziplinen anschlussfähig sein kann.
Eine Betrachtung von Hoffnung oder Zuversicht mit Blick auf Ungewissheiten blieb in der Endlagerforschung bisher aus und ebenfalls die Betrachtung der Endlagerproblematik in den Debatten über Hoffnung bzw. Zuversicht in der praktischen Philosophie. Daher betrachte ich im nächsten Abschnitt die Debatte in der politischen Philosophie über die Rolle der Hoffnung angesichts von Zielen bei der Bekämpfung des Klimawandels, zu deren Erreichung Ungewissheit besteht. Hoffnung wird in diesem Kontext als eine Einstellung im Blick auf die Zukunft verstanden, wenn die Aussichten ungewiss sind, wir aber zugleich denken, dass ein positives Auskommen möglich ist. Hoffnung kann die politische Mobilisierung, die für die Bekämpfung des Klimawandels nötig ist, motivieren und aufrechterhalten. Die Frage ergibt sich, ob Hoffnung angesichts von Ungewissheiten im Kontext der Endlagerung eine (positive) Rolle spielen könnte, so wie sie es im Fall des Klimawandels nach Ansicht mancher Autoren tut, und wenn ja welche.
Um letztere Frage zu beantworten, beziehe ich in kommenden Abschnitten die Begriffe Hoffnung und Zuversicht auf das Ziel, den Entsorgungsprozess in Deutschland als lernendendes Verfahren zu gestalten, sowie auf den Zustand eines existierenden bzw. stabilen rechtsstaatlichen, demokratischen Systems als Randbedingung des Entsorgungsprozesses. Vertiefend betrachte ich auch die beiden Begriffe Hoffnung und Zuversicht, um das Verständnis der politischen Philosophie zu ergänzen: Dort wird Hoffnung eigenständig betrachtet während in der Philosophie der Antike und der Neuzeit Hoffnung mit ihrem Pendant Angst gemeinsam betrachtet wurden und mit einer Konzeption der Welt eng zusammenhingen. In der vertiefenden Betrachtung wird das thematisiert, weil dadurch eine wichtige Voraussetzung der Hoffnung sichtbar wird: die Konzeption der gesellschaftspolitischen Entwicklungen als etwas, was durch Handeln beeinflusst werden kann. Angst oder andere Gegenstücke der Hoffnung werden aber nicht analysiert, da die Frage meiner Analyse nicht ist, ob angesichts von Ungewissheiten im Entsorgungsprozess Hoffnung oder Hoffnungslosigkeit herrschen sollte. Akteure können hoffnungslos oder hoffnungsvoll in die Zukunft blicken, daher geht es vielmehr um die Frage, was ihnen bzw. uns mehr bringt und – falls Hoffnung besteht – bei welchen langfristigen Aufgaben oder Zielen der Endlagerung der hoffnungsvolle oder zuversichtliche Blick dem Handeln förderlich ist.
Die Antwort lässt sich vorwegnehmen: Während sich Hoffnung allgemein als wenig passend zum Endlagerkontext herausstellt, lässt sich für eine positive Funktion der Zuversicht angesichts der Lernfähigkeit im Endlagerungsprozess argumentieren. Aus der Analyse der Hoffnung lässt sich allerdings Folgendes lernen: eine Einschätzung des Nutzens und der Kosten davon, Hoffnungen im politischen Rahmen des Entsorgungsprozesses in Deutschland zu pflegen, ist zu jedem Zeitpunkt des Prozesses sinnvoll. Der Wert dieser Einschätzung besteht jedoch nicht unmittelbar darin, für die Pflege von Hoffnung als Strategie des Umgangs mit Ungewissheiten (etwa in Ergänzung zu den Strategien in Rahmen von Safety Cases oder auf Grundlage der Zukunftsforschung oder der Risikoethik) plädieren zu können. Der Wert ist vielmehr mittelbar: Sich über Hoffnungen im Kontext der Endlagerung klar zu sein, dient der diskursiven Auseinandersetzung bei den politischen Entscheidungen, die Ungewissheiten betreffen, vor allem wenn diese implizit wirken. Es dient aber auch dem wissenschaftlichen Umgang mit Ungewissheiten: Angesichts anthropogener Ungewissheiten könnte eine implizite Hoffnung auf das Fortbestehen des rechtsstaatlichen Rahmens in Deutschland bestehen, die negative Effekte in Gegenwart und Zukunft des Entsorgungsprozesses haben könnte. Der rechtsstaatliche Rahmen ist eine Bedingung für einen von der Gesellschaft getragenen Entsorgungsprozess und sorgt zugleich für eine stabile Gesellschaft, in der Gewaltkonflikte, die die Sicherheit des Endlagers gefährden könnten, nicht eskalieren. Wenn dieser Rahmen als selbstverständlich angenommen wird, wird übersehen, dass er eine ständige Aufgabe darstellt, die von der demokratischen Gestaltung des Entsorgungsprozesses in der Gegenwart verstärkt oder geschwächt werden könnte.

3 Fallbeispiel: Hoffnung im Blick auf Klimawandel aus Sicht der politischen Philosophie

Dass Hoffnung in Situationen von Ungewissheit eintreten kann, ist in der „Standarddefinition“4 von Hoffnung in der analytischen Philosophie erfasst: eine Person hofft auf z. B. ein Ereignis, wenn sie sich das Ereignis wünscht und glaubt, dass es möglich aber ungewiss ist (Blöser et al. 2020, S. 2). Hoffnung wird eine produktive Funktion in der demokratischen Politik zugeschrieben, u. a. politisches Handeln zu motivieren. Es gibt jedoch auch Gegenargumente, die gerade diese Funktion in Frage stellen und auf negative Effekte von Hoffnung auf das politische Handeln und die politische Gemeinschaft hinweisen, z. B. die Handlungsfähigkeit zu beeinträchtigen oder fehlzuleiten (S. 2 f.). Angesichts ungewisser Perspektiven wie diejenigen in der Bekämpfung des Klimawandels wird die Ansicht vertreten, dass eine positive Funktion der Hoffnung darin besteht, das Handeln aufrechtzuerhalten.
Hoffnung als Antwort auf Verzweiflung und Pessimismus infolge von Ungewissheiten
D. Moellendorfs zentrale Ansicht in seinem Buch Mobilizing Hope: Climate Change and Global Poverty besagt, dass eine hoffnungsvolle Politik nötig ist, um die Probleme des Klimawandels angemessen zu behandeln. Gründe zur Annahme einer erfolgreichen Bewältigung in den nächsten Jahrzehnten sind ihm zufolge nicht in Sicht (Moellendorf 2022, S. 8 f.). Dabei weist er u. a. auf die Ungewissheiten mit Blick auf das Verhalten des Klimasystems und unsere Anpassungsfähigkeit hin. Trotzdem sieht Moellendorf Gründe dafür, nicht nur zu hoffen, sondern so zu handeln, dass sich Hoffnung verbreiten kann: Eine hoffnungsvolle Vision kann die politische Mobilisierung unterstützen. In Kombination mit einer realistischen Utopie kann Hoffnung dem verbreiteten Pessimismus über die Aussichten der Menschheit entgegenwirken, der sich als selbst-erfüllend erweisen könnte (S. 185). Auch in Fällen der Verzweiflung ist Hoffnung angesagt, d. h. wenn ein zu erzielendes Ergebnis mit guten Gründen wertgeschätzt wird, es aber sehr unwahrscheinlich erscheint (S. 202). In diesen Fällen kann Hoffnung nicht nur motivieren, sich weiter für das Erreichen der Ziele einzusetzen, sondern auch die darin investierte Kraft als sinnvoll zu betrachten. Auch wenn die Hoffnung von anderen nicht gefordert oder erwartet werden kann, kann sie gefördert oder kultiviert werden: Fakten, Prozesse, Theorien, realistische Utopien und Handlungen, die einen Grund geben, an eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erhofften zu glauben, können die Hoffnung fördern, d. h. als „hope-makers“ fungieren (S. 202).
Im Moellendorfs Ansatz ist Hoffnung somit eine mittelbare Antwort auf Ungewissheiten. Sie ist nicht direkt eine Strategie für den Umgang mit Ungewissheiten, die bei der Bekämpfung des Klimawandels auftreten, sondern eine Strategie, um den Gefühlen oder Haltungen entgegenzuwirken, die in Verbindung mit Ungewissheiten auftreten bzw. eingenommen werden können, wie Verzweiflung oder Pessimismus. Für diese Interpretation spricht auch Moellendorfs Argument, dem Vorsorgeprinzip im Umgang mit Ungewissheiten zu folgen: Wenn ein besonders negatives Ereignis ungewiss aber „realistisch möglich“ ist, haben wir einen Grund, nachdrücklich dafür zu sorgen, das Ereignis nicht zu verursachen (Moellendorf 2022, S. 46). Die direkte Antwort auf Ungewissheiten ist somit Vorsorge, während Hoffnung eine indirekte Antwort auf Ungewissheiten darstellt, da sie direkt der Verzweiflung oder dem Pessimismus entgegenwirkt.
Abwägung von Kosten und Nutzen der Hoffnung
In seiner Analyse bezieht sich D. Roser auf ein konkretes „Objekt der Hoffnung“ in der Bekämpfung des Klimawandels: das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 °C zu reduzieren (Roser 2020, S. 67). Roser geht der Frage nach, inwiefern wir Hoffnungen in der Bekämpfung des Klimawandels pflegen sollten, und konkret, inwiefern die Hoffnung, das Ziel der Reduktion zu erreichen, begründet sein könnte. Zudem analysiert er, was der Nutzen und die Kosten wären, diese Hoffnung zu pflegen. Die Frage, wie begründet es ist, zu hoffen, analysiert Roser entsprechend der o.g. Standarddefinition von Hoffnung (siehe Abb. 1). Er betrachtet also, ob es begründet sein kann, an die Möglichkeit der Reduktion der Erderwärmung trotz Ungewissheit zu glauben, und ob die Reduktion der Erderwärmung wünschenswert ist. Für den Fall der Endlagerung finde ich aber vor allem Rosers Analyse der Kosten bzw. des Nutzens der Hoffnung relevant und betrachte sie daher im Folgenden.
Roser analysiert drei Nachteile und zwei Vorteile, Hoffnung im Fall der Reduktion der Erderwärmung auf 1,5 °C zu pflegen. Nachteile wären erstens die Versuchung des Wunschdenkens (Roser 2020, S. 74). Wenn die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung als sehr gering eingeschätzt wird und der Wunsch zu stark ist, entsteht das Risiko, dass sich der Glaube auf den Wunsch und nicht auf die Wahrscheinlichkeit stützt5. Roser zufolge ist dies zweifach problematisch: Erstens ist ein solcher Glaube nicht wahrhaftig bzw. begründet. Somit ist er zweitens keine gute Grundlage, um begründete praktische Konsequenzen daraus zu ziehen. Hingegen ist eine angemessene Berücksichtigung der Möglichkeit, das Ziel nicht zu erreichen, wichtig für die Formulierung von (entsprechenden) praktischen Konsequenzen.
Ein weiterer Nachteil ist die Möglichkeit der Enttäuschung (Roser 2020, S. 75). Vor allem wenn der Wunsch stark ist und die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung gering, kann die Enttäuschung ebenfalls stark sein, insbesondere aufgrund des Kontrasts zum starken Wunsch. Da diese Situation bekannt ist, ist es verständlich, dass Hoffnung nicht gepflegt wird, um vor einer Enttäuschung bewahrt zu bleiben. Schließlich ist die Möglichkeit der Ablenkung auch ein Nachteil der Hoffnung: Anstatt zu planen und auf das Ziel hin zu arbeiten, wird die Vorstellung, die mit der Hoffnung einhergeht, genossen. Oder andere Ziele, anstatt des erhofften und evtl. unwahrscheinlichen Ziels, werden nicht aktiv verfolgt. Oder andere Einstellungen, die wichtig für das Handeln wären, finden keinen Raum, z. B. Empörung im Fall von Betroffenen oder Einsicht im Fall von Verantwortlichen.
Als Vorteile der Hoffnung weist Roser erstens auf den positiven Effekt der Hoffnung auf das Verhalten hin, was er aufgrund empirischer Ergebnisse als plausibel einstuft (Roser 2020, S. 78). Hoffnung kann demnach die Wahrscheinlichkeit erhöhen, ein Ziel zu erreichen, im Sinne einer Motivationskraft. Zweitens vermittelt die Hoffnung ein gutes Gefühl und kann somit das Wohlbefinden erhöhen oder (weniger oberflächlich verstanden) die Sinnhaftigkeit erkennen lassen, die Projekte und darin investierte Kraft haben, deren Ergebnisse aber in der Zukunft liegen.
Rosers Ansicht im Fall des Ziels der Reduktion der Erderwärmung ist, dass diese zwei Vorteile die Nachteile überwiegen. Allerdings kann dieses Verhältnis weiter optimiert werden, wenn Hoffnung je nach Akteursgruppe selektiv gepflegt wird (Roser 2020, S. 81). Diesem Gedanken liegt eine ausdifferenzierte Gewichtung der Vor- und Nachteile je nach Gruppe zugrunde: Einer positiven Wirkung der Hoffnung als Motivationskraft wird bei Aktivist:innen oder Betroffenen vom Klimawandel mehr Bedeutung zugemessen als bei den Mitgliedern der für die Entsorgung verantwortlichen Institutionen oder Politiker:innen. Im letzteren Fall wird dem Risiko des Wunschdenkens mehr Gewicht zugemessen. Auch zwischen Altersgruppen fällt das Gewicht unterschiedlich: Während bei der jüngeren Generation die positiven Vorstellungen der Hoffnung als Motivation entscheidender sind, ist dies für ältere Generationen weniger bedeutend. Für letztere ist hingegen die Einsicht in die eigene Verantwortung als Einstellung angemessener und das Risiko der Ablenkung aufgrund von Hoffnung schwerwiegender. Schließlich ist in jedem Fall auch wichtig, die subjektive Perspektive der Akteure und deren unterschiedliche Werte zu berücksichtigen. Hoffnungen zu fördern sollte eine gesamte Lebenseinstellung nicht ignorieren, die z. B. konsistent eine skeptische Haltung pflegt.

4 Anwendung auf den Fall der Entsorgung radioaktiver Abfälle: Zuversicht im Blick auf Lernfähigkeit und Hoffnung auf Rechtsstaatlichkeit

Hoffnung im Blick auf das Erreichen von Zielen, die der Bekämpfung von Klimawandel dienen sollten aber ungewiss sind, kann nach Ansicht der beiden oben betrachteten Autoren einen positiven Effekt haben, und sollte daher gepflegt bzw. gefördert werden. Könnte Hoffnung auch angesichts anthropogener Ungewissheiten im Kontext der Endlagerung eine relevante oder positive Funktion für das Handeln bzw. Entscheiden haben?
Die Rolle von Hoffnung in den bisher betrachteten Ansätzen ist in erster Linie auf das politische Handeln bezogen. Letzteres wird dabei z. T. als das Handeln verstanden, das bestimmten (kollektiven) Akteuren, z. B. sozialen Bewegungen, einen Einfluss in die demokratische Politik ermöglicht. Im Endlagerungsprozess haben wir es nicht nur mit politischem Handeln in diesem Sinne zu tun. Die Anti-Atomkraft-Bewegung spielte eine zentrale, kritische Rolle im ersten Prozess der Festlegung eines Endlagerstandortes in Deutschland (siehe z. B. Kamlage et al. 2019, S. 93 f.). Mit dem darauffolgenden Standortauswahlgesetzt haben sich die Formen des politischen Handelns durch die darin geregelten formellen sowie die sich eröffnenden informellen Möglichkeiten im Beteiligungsprozess jedoch erweitert (StandAG §§ 5–11). Neben den Bürgerinitiativen und anderen „Vertretern zivilgesellschaftlicher Interessengruppen“ wie Umweltverbänden nehmen weitere Akteure in diesem Rahmen eine wichtige Rolle ein: „die gesamte deutsche Öffentlichkeit“ oder „Kommunalpolitiker“ aus bereits betroffenen oder möglicherweise zukünftig betroffenen Regionen in Deutschland (Drögemüller 2018, S. 14). Institutionelle Akteure wie das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) sowie das Nationale Begleitgremium (NBG) spielen nach wie vor eine zentrale Rolle insbesondere in ihrer Verantwortung und Möglichkeit, das Verfahren partizipativ und lernend zu gestalten (Brohmann et al. 2021, S. 4).
Im Kontext des Klimawandels wird die positive Rolle der Hoffnung darin gesehen, dass sie zum politischen Handeln motiviert und Letzteres im Sinne von politischem Aktivismus verstanden. Diese positive Wirkung trifft auf andere Handlungen und Akteure im Rahmen der Endlagerung in Deutschland womöglich nicht zu. Wenn wir die für die Entsorgung zuständigen Institutionen betrachten, sind ihre Handlungen nicht dem politischen Aktivismus, sondern vielmehr dem lösungsorientierten Handeln angesichts eines soziotechnischen Problems zuzuordnen – gemäß ihrem Auftrag. Die bisher betrachtete Rolle von Hoffnung besteht z. T. darin, Gefühlen und Haltungen wie Verzweiflung und Pessimismus, die im Zusammenhang mit Ungewissheiten entstehen und das Handeln behindern könnten, entgegenzuwirken. Finden solche Gefühle und Haltungen bei den wissenschaftlich-technischen Strategien im Umgang mit Ungewissheiten Eingang oder werden sie nicht vielmehr durch die Anwendung technischer/wissenschaftlicher Rationalitätskriterien beiseitegelassen oder ausgeschlossen? Wenn Letzteres der Fall wäre, würden wir der so verstandenen Hoffnung bei dieser Akteursgruppe der Endlagerung keine Rolle zumessen.
Die Antwort auf die Frage, ob Hoffnung in der Endlagerung eine Rolle spielen könnte, erfordert somit eine differenzierte Betrachtung von Akteursgruppen. Ebenfalls ist erforderlich, die Hoffnung auf konkrete Objekte zu beziehen, die mit sicherheitsrelevanten anthropogenen Ungewissheiten in Verbindung stehen. Ich möchte daher die Analyse auf die Zuversicht in der Gestaltung eines lernendenden Verfahrens sowie die Hoffnung auf das Fortbestehen eines rechtsstaatlichen ggf. internationalen Systems beziehen. Die Akteure, die jeweils Subjekte der Zuversicht oder Hoffnung sein können, sind im Fall der Lernfähigkeit des Verfahrens an erster Stelle institutionelle Akteure, insbesondere direkt verantwortliche Behörden und Betreiber, aber auch die Wissenschaftler:innen und Forscher:innen. Im Fall der Rechtsstaatlichkeit sind es wiederum institutionelle Akteure in der Politik, d. h. Politiker:innen aber letztendlich die Zivilgesellschaft bzw. wir alle als Bürger.
Die Gestaltung eines lernenden Verfahrens sowie die Aufrechterhaltung eines rechtsstaatlichen Systems sind mit anderen anthropogenen Entwicklungen verbunden als dem im Safety Case stellvertretenden Fall des menschlichen Eindringens in ein Endlager. Sie legen den Fokus auf die Gestaltung des Entsorgungsprozesses sowie auf die Entwicklung der politisch-gesellschaftlichen Randbedingungen und gehören somit zu den „gesellschaftlichen und institutionellen Veränderungen“, die die Sicherheit des Endlagers beeinflussen können (Eckhardt 2021a, S. 12). Das zweite Objekt ist zudem in der Szenarienentwicklung, die Eckhardt unternimmt, mittelbar angesprochen: Einerseits durch die Grundannahme, dass demokratische Werte in Deutschland auch in der Zukunft gesellschaftlich verbreitet sein werden und daher Demokratieverlust als Zukunftserzählung begrenzt, d. h. in nur wenigen Szenarien, aufgegriffen wird (S. 22 sowie S. 50 und 53 f.). Andererseits durch die Formulierung von Szenarien, in denen Gewaltkonflikte eine Rolle spielen, eines davon mit mittlerer Plausibilität eingestuft6. Solche künftigen Szenarien, die Gewaltkonflikte thematisieren, verdeutlichen die Sicherheitsrelevanz der Aufrechterhaltung eines rechtsstaatlichen Systems. Ich setze voraus, dass ein solches System institutionalisierte Mechanismen beinhaltet oder entwickeln könnte, um Gewaltkonflikte nicht eskalieren zu lassen. Angesichts von Ungewissheiten zu künftigen Gewaltkonflikten betrifft das Objekt der Hoffnung die Fähigkeit, Konflikte nicht eskalieren zu lassen, und somit die entsprechenden Systeme und Mechanismen, die gegen eine Eskalation wirken können.
Ungewissheiten darüber, wie sich der rechtsstaatliche Rahmen und die Gewaltkonflikte entwickeln könnten, betreffen aus heutiger Sicht die Langzeitsicherheit. Hingegen betrifft die Lernfähigkeit des Verfahrens bzw. der Akteure im Verfahren den Zeithorizont bis zum Verschluss des Endlagers. Sie ist deswegen sicherheitsrelevant, weil die Integration neuer Erkenntnisse in ein lernendes System die Eintrittswahrscheinlichkeit von „Unfällen oder weiteren unerwünschten Ereignissen, die auf Fehlern basieren“ minimieren kann (Mbah und Kuppler 2021, S. 417). Die Lernfähigkeit ist jedoch ein Ziel, dessen Erfüllung nicht prognostiziert werden kann. Es bestehen Human-Factor-Ungewissheiten, „die fehlende Information zum Einfluss von Menschen und Organisationen auf das Endlagersystem“ betreffen (Eckhardt 2020, S. 47).

5 Vertiefende Betrachtung von Hoffnung und Zuversicht

Bevor die Rolle der Hoffnung und Zuversicht bezogen auf die konkreten Objekte und Akteure verdeutlicht wird, gilt es, den bisher betrachteten Hoffnungsbegriff weiter zu vertiefen. Dafür berücksichtige ich zwei wichtige historische Wurzeln: Kants Hoffnungskonzeption sowie den Begriff von Zuversicht in der Schottischen Aufklärung. Die Vertiefung ist wichtig, weil das Ziel des lernfähiges Entsorgungsprozesses ein Objekt der Zuversicht darstellt, sodass der Unterschied zwischen Zuversicht und Hoffnung geklärt werden soll. Zudem betrifft der kantische Begriff der Hoffnung direkt den Fall des internationalen Friedens, der in den von Eckhardt betrachteten Zukunftsszenarien angedeutet wird (siehe Fußnote 5), sowie indirekt die Bedingung eines stabilen rechtsstaatlichen Systems.
Kants Begriff der Hoffnung
In seiner Auseinandersetzung mit Kants Begriff betrachtet M. Lutz-Bachmann (2021, S. 147 ff.) verschiedene Bedeutungen und Aspekte der Hoffnung, u. a. das Verständnis, das wir im Kontext des Klimawandels festgestellt haben: Hoffnung als eine Motivationskraft, die angesichts von Ungewissheiten zu einem aktiven Handeln befähigt bzw. bewirken kann, dass Menschen eine schwierige Situation aushalten. Lutz-Bachmann betont vor allem die Konzeption der Hoffnung als eine Kraft, die das Erhoffte als Ziel des Strebens erkennen lässt (S. 148). Somit erfasst er eine Bedeutung von Hoffnung, die auch in den gegenwärtigen Diskussionen analysiert wird (wie in der Standarddefinition; siehe Abb. 1 oben), jedoch in der Geschichte der Philosophie zumindest nicht vor Kant gebräuchlich war (S. 151). Diese Bedeutung ist besonders wichtig, weil erst der Bezug der Hoffnung auf ein Objekt eine „rationale Überprüfung“ erlaubt: Wir können prüfen, ob das Erhoffte wirklich möglich und, unter Berücksichtigung moralisch-ethischer Gesichtspunkte, wünschenswert ist7. Eine Hoffnung, die moralisch gerechtfertigt oder vernünftig ist, d. h. eine rationale Hoffnung, ist dann diejenige, „deren Realisierbarkeit nicht ausgeschlossen und deren ethisch-moralische Qualifikation […] positiv verantwortet werden kann“ (S. 150).
Als Kraft, die das Erhoffte als Ziel des Strebens erkennen lässt, ist Kants Konzeption der „Hoffnung auf ein ethisches Gemeinwesen“ (Lutz-Bachmann 2021, S. 171 ff.) zu verstehen. Durch ein gemeinschaftliches Handeln sollen alle Menschen auf eine Gesellschaft hinwirken, in der „das Böse“, d. h. die Neigung zu und das Vollziehen von bösen bzw. moralisch falschen Handlungen, überwunden werden kann. Dies kann weder in der rechtlichen (da sie auf Zwang basiert) noch in der politischen Gemeinschaft (da sie auf eine partikuläre Gemeinschaft beschränkt ist) erreicht werden. Die Überwindung ist nur in einer ethischen Gesellschaft möglich und deren Verwirklichung ist daher eine Pflicht. Für Kant ist diese eine „besondere“ Pflicht, weil sie nicht das Individuum, sondern die Menschheit betrifft. Die ethische Gesellschaft wird nicht durch „die Bestrebung der einzelnen Person“ erreicht, sondern erfordert eine Vereinigung der einzelnen Personen in ein Ganzes, das auf die Realisierung der ethischen Gesellschaft hinwirkt (Kant 2017, S. 130). Wir als Individuen können jedoch nicht wissen, ob es in unserer Macht steht, diese Vereinigung zu bewirken. Lutz-Bachmann zufolge ist das der Grund, warum Kant nicht sagt, dass er sicher weiß, sondern dass er hofft, dass die besondere Pflicht durch ein gemeinschaftliches Handeln verwirklicht werden kann (Lutz-Bachmann 2021, S. 177; Hervorhebung im Original). Zudem ist das die Grundlage, um Hoffnung als Kraft zu verstehen, die das Erhoffte als Ziel des Strebens erkennen lässt.
Die Hoffnung auf die Verwirklichung einer ethischen Gesellschaft unterscheidet Lutz-Bachmann (2021, S. 170) sowohl vom Geschichtsoptimismus als auch vom Fortschrittsglauben, bei denen angenommen wird, die Geschichte der Menschheit oder die Entwicklung der Gesellschaft folge einer bestimmten Richtung. Das Verständnis der Hoffnung in der Philosophie der Neuzeit im 17. und 18. Jahrhundert war von der Moralphilosophie der antiken Stoa geprägt, die die Welt durch „objektiv wirksame, eiserne Gesetze“ bestimmt sah. Dabei war der „Gang der Ereignisse als im Grundsatz vernünftig zu bejahen und das eigene Handeln einzig an dieser Einsicht auszurichten“ (S. 153). Hoffnung, so wie ihr Pendant, die Angst, waren in diesem Verständnis irrationale Leidenschaften der Seele und wurden am Ideal der deterministischen Welt gemessen: entweder entsprachen sie der Wirklichkeit nicht und waren somit illusorisch, oder sie entsprachen der Wirklichkeit doch und beschrieben somit die Zukunft zutreffend. Zukunftserwartungen bewegten sich also innerhalb des Rahmens dessen, „was als durch die als objektiv vorgestellte Wirklichkeit bereits vorgegeben war“ (S. 153). Hoffnung spielte somit keine Rolle. Da Kant jedoch die Freiheit des handelnden Subjektes voraussetzt und sich somit von der deterministischen Weltvorstellung distanziert, kann er Hoffnung eine Rolle in seiner Moralphilosophie einräumen.
Humes Begriff der Zuversicht
H. Krämers Betrachtung von Humes Begriff der Zuversicht/Hoffnung8 bestätigt Lutz-Bachmanns Darstellung der Hoffnung und der Angst als Leidenschaften. Für Hume ist Hoffnung ein Affekt, der beim Individuum mit Blick auf zukünftiges Geschehen ausgelöst wird (Krämer 2021, S. 261), wenn das Ereignis „wahrscheinlich und ungewiss ist“ und als wünschenswert oder gut bewertet wird (S. 266–267). Nach seiner ausführlichen Analyse kommt Krämer zu dem Schluss, dass Hume Zuversicht bzw. Hoffnung nicht wie die übrigen „Affekte“ verstand, d. h. als unmittelbare Reaktionen und als irrational (von der Vernunft nicht vermittelt). Zuversicht/Hoffnung entstehen hingegen „durch einen Prozess des Abwägens […], den nur der Verstand vorantreiben kann“ (S. 267).
Für Hume sind Ungewissheiten Fälle, in denen keine klare Entscheidung über die Aussichten auf etwas Erwünschtes oder etwas zu Vermeidendes und kein Urteil über die Wahrscheinlichkeit seines Eintretens durch den Verstand möglich sind. Durch „Abwägen und Einordnen“ erzeugt der Verstand in solchen Fällen nicht die Gewissheit eines Befundes, sondern ein Gefühl – Hoffnung im Fall von etwas Erwünschtem oder Furcht im Fall von etwas zu Vermeidendem. Hoffnung ist somit das Ergebnis einer „erfolgreichen Suche nach Gründen, die einen günstigen Ausgang einer Sache nahelegen“. Sie ist „einer schlüssigen Begründung“ geschuldet. Zuversicht (und Skepsis) sind „Schlussfolgerungen von (bestehenden) Voraussetzungen auf (künftige) Ergebnisse, von Erfahrungen auf Erwartungen, von mehr oder minder gewissen Ursachen auf mehr oder minder erwartbare Wirkungen“ (Krämer 2021, S. 268–269).
In der politischen Sphäre bedeuten Zuversicht bzw. Skepsis Kräfte, die die (politische) Handlung vorantreiben bzw. verhindern können je nachdem, ob die verfügbaren Wahrscheinlichkeiten „den Schluss auf den gewünschten Erfolg des Handelns“, d. h. die Zuversicht, zulassen (Krämer 2021, S. 293). Hume geht dabei davon aus, dass der Mensch keine Gewissheit über seine eigene Zukunft und die Folgen seines Handelns gewinnen kann, da im Gegensatz zur Natur keine Kausalität und entsprechend keine Gesetzmäßigkeiten dabei bestehen. Die Unerreichbarkeit absoluter Gewissheit muss hingenommen werden und das Handeln muss daran ansetzen, was erreichbar ist, d. h. die Ermittlung von Wahrscheinlichkeiten. Für Hume stand außer Frage, dass in der Politik auch unter Voraussetzungen der Ungewissheiten gehandelt wird. Die Rolle der Zuversicht aufgrund der Ermittlung von Wahrscheinlichkeiten ist somit, dass sie das Handeln vorantreiben kann, auch wenn sie sich auf den Erfolg kleiner Schritte bezieht und dabei kein übergeordnetes Ziel der Menschheit annimmt (S. 294).
Krämer unterscheidet eine „konkrete“ von einer „allgemeinen“ Zuversicht. Allgemein ist die Zuversicht, die „auf den Gang der Welt in einem allgemeinen und umfassenden Sinn gerichtet ist“, z. B. die „zivilisatorische Entwicklung der Gesellschaft“ oder den „technologischen Fortschritt“ (Krämer 2021, S. 17–18). Die konkrete Zuversicht ist hingegen „auf ein konkretes Handeln bezogen und sie bewertet die Aussicht auf dessen Erfolg“ (S. 23). Beim konkreten Sinne der Zuversicht wird klar, warum Krämer den englischen Begriff „hope“, der in den Werken der analysierten Autoren vorgefunden wird, nicht immer mit „Hoffnung“, sondern vornehmlich mit „Zuversicht“ übersetzt: Er betont dadurch, dass sie ein „Ergebnis eines Abwägungsvorgangs durch den Verstand ist, der auf die Erfolgsaussichten für eine Handlung gerichtet ist“. Diese durch Argumente begründete Hoffnung ist, was unter Zuversicht verstanden wird. In der Bedeutung von Zuversicht wird „die Konnotation des Rationalen und der Überlegung“ betont, während „im Fall der Hoffnung […] der Aspekt des Wunsches gegenüber der rationalen Abwägung in den Vordergrund [tritt]“ (S. 28–29).

6 Anthropogene Ungewissheiten in der Endlagerung: Für Zuversicht und (rationale) Hoffnung

Die Frage, ob Hoffnung angesichts anthropogener Ungewissheiten im Kontext der Endlagerung eine Rolle beim Handeln bzw. Entscheiden spielen könnte, können wir jetzt differenzierter formulieren und aufgrund der bisherigen Analyse abschließend beantworten. Zu diesem Zweck bietet die Abb. 2 eine Übersicht der zentralen Aspekte, die im Blick auf Hoffnung und Zuversicht in den zwei letzten Abschnitten sowie am Beispiel des Klimawandels festgehalten wurden.
Für die Pflege von Zuversicht im soziotechnischen Entsorgungskontext spricht allgemein die Tatsache, dass sich Zuversicht aus einer Abwägung von Gründen und aus dem Festhalten von erreichten Ergebnissen und gemachten Erfahrungen ergibt. Bezogen auf sicherheitsrelevante Ungewissheiten scheint dies angemessener als eine Umgangsalternative wie Hoffnung, die an erster Stelle als Haltung oder Affekt/Gefühl verstanden wird. So verstanden erfüllt Hoffnung zwar die Funktion, anderen „negativen“ Gefühlen bzw. Haltungen wie Überforderung und Ratlosigkeit oder Pessimismus entgegenzuwirken. Für konkrete Akteure im Prozess ist diese Möglichkeit jedoch nicht allzu relevant, wie sich am Ziel der Lernfähigkeit zeigt:
Bezogen auf die Lernfähigkeit im Entsorgungsprozess ist Zuversicht und nicht Hoffnung eine angemessene Umgangsform für Wissenschaftler:innen und Vertreter:innen von öffentlichen Institutionen. Hoffnung bietet in diesem Fall keine Strategie zum Umgang mit der Ungewissheit des Einflusses von Menschen und Organisationen auf das Endlagersystem an, wenn wir davon ausgehen, dass die genannten Akteure in ihrer Rolle lösungsorientiert agieren und dabei Entscheidungskriterien oder Strategien folgen, die das Einfließen von Pessimismus oder Ratlosigkeit begrenzen9. Wenn letztere ausgeschlossen sind, dann würde Hoffnung keine Funktion erfüllen. Zuversicht würde hingegen in diesem Fall bei den Erfahrungen ansetzen, die diese Akteure in ihrer Rolle sammeln. Sie würde von ihnen erfordern, das Einordnen und die Abwägung von Fakten, Erfahrungen und Wahrscheinlichkeiten vorzunehmen, von denen Hume spricht. Dort, wo solches Abwägen auf positive Aussichten hindeutet, würden sie zuversichtlich handeln und wären angehalten, ihre Zuversicht an diesen Punkten zu zeigen. Das wäre auch eine im ethischen Sinne gute Grundlage für die Kommunikation von Ungewissheiten (vgl. Seidl et al. 2024; Becker et al. 2024) oder die Entwicklung von Narrativen, die Ungewissheiten thematisieren (vgl. Becker und Berg 2024). Der Vorteil gegenüber positiven Botschaften, die nicht auf Zuversicht beruhen, ist ihr begründeter Charakter: Zuversicht würde erfolgreiche Erfahrungen, gelungene Prozesse, bereits erreichte Ergebnisse betonen und wäre somit dem Verdacht nicht ausgesetzt, in der Medienarbeit oder in Erzählungen positive aber zufällige Assoziationen strategisch zu nutzen.
Eine positive Rolle der Hoffnung zu identifizieren oder auszuschließen ist weniger eindeutig als im Fall der Zuversicht. Wie oben erwähnt, scheint Hoffnung zunächst nicht angemessen im Kontext sicherheitsrelevanter ungewisser Entwicklungen. Wie die Analyse von Moellendorf zeigte, ist es angemessen, diesem Typ von Ungewissheiten mit Vorsorge (und nicht mit Hoffnung) zu begegnen. Zudem erscheint die Bedeutung von Hoffnung als Haltung im soziotechnischen Kontext als nichtzutreffend, da wir sie mit individueller Lebensgestaltung oder mit -situationen verbinden, in denen Menschen planlos oder ratlos sind. Die Alternative, von Zuversicht anstatt von Hoffnung zu reden, deutet bereits darauf hin, dass eine semantische Dimension der Hoffnung im soziotechnischen Kontext nicht passend erscheint.
Über die semantische Angemessenheit hinaus kann die ethisch-praktische Angemessenheit10, Hoffnung im Kontext der Endlagerung zu pflegen, rational überprüft werden. D. h. wir können ihre Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen, wie Roser zeigt. Zu hoffen, dass es keine Gewaltkonflikte in der Zukunft geben bzw. dass Frieden die Regel sein wird und Konflikte nicht eskalieren werden, scheint „naiv“ und nicht gerechtfertigt, denn Geschichte und Gegenwart scheinen das Gegenteil zu belegen. Auch wenn wir vom Weiterbestehen der gegenwärtigen Lage nicht ungeprüft ausgehen sollten, wäre die Annahme von Frieden als Regelfall ebenso wenig begründet. Gegen eine Förderung der Hoffnung spricht aber vor allem die Möglichkeit, dass sie vom aktiven Handeln oder der Entwicklung von Lösungsalternativen angesichts eines möglichen negativen Ausgangs künftiger Ereignisse abhält. Eine „naive“ Hoffnung auf künftigen nationalen wie internationalen Frieden könnte dazu verleiten, den rechtsstaatlichen Rahmen und eine rechtliche Ordnung als selbstverständlich anzunehmen. Dies könnte uns davon abhalten, weiter aktiv auf die rechtliche Verfassung der Gesellschaft hinzuarbeiten.
Trotz dieser Nachteile spricht aber ein wichtiger Grund dafür, die Hoffnung im Rahmen der Entsorgung in einem sehr konkreten Sinne zu pflegen: in direktem Anschluss an Kants Konzeption der Hoffnung aus Vernunft, bei der ein Ziel als verpflichtend begründet und – weil seine Verwirklichung nicht „gewiss“ ist – erhofft wird. Unter Berücksichtigung des Bewertungszeitraums von einer Million Jahren für die Sicherheit des Endlagers scheint das Erkennen eines erhofften Zieles, das normativ begründet werden kann, d. h. scheint eine rationale Hoffnung, relevant zu sein. Angesichts der langfristigen Entwicklung des heutigen Rechtsstaats und der internationalen Ordnung dürfte Hoffnung im Sinne Kants bestehen, sowohl bei Bürger:innen als auch bei Akteuren in anderen Rollen. Eine rationale Hoffnung zu pflegen würde bedeuten, dass wir als Bürger:innen, Forscher:innen und Mitglieder von verantwortlichen Institutionen die Gründe einsehen, warum ein rechtsstaatliches System sowie ein rechtlicher Rahmen auf internationaler Ebene Ziele sind, auf deren Erreichung wir hinarbeiten sollen, nämlich, weil sie Stabilität und Frieden am besten gewährleisten bzw. Mechanismen der Konflikteindämmung bereitstellen können. Hoffnung würde in diesem Sinne als das Erkennen eines künftigen Zustands der nationalen bzw. internationalen Verrechtlichung verstanden werden, der für die Sicherheit des Endlagers relevant ist und, auch wenn er mit Ungewissheiten verknüpft ist, dennoch verwirklicht werden sollte.
Der philosophische Begriff der rationalen Hoffnung, d. h. einer in der Vernunft selbst angelegten rationalen Einstellung von Menschen gegenüber der Zukunft, versteht sich nicht von sich selbst – weder im alltäglichen noch im fachlichen-philosophischen Gebrauch. Andere Aspekte der Hoffnung aus dem alltäglichen Sprachgebrauch sowie aus anderen Konzepten (z. B. die motivierende Kraft der Hoffnung oder die Ausweglosigkeit einer Situation, auf die mit Hoffnung reagiert wird) machen die Idee der rationalen Hoffnung schwer operationalisierbar. Dies könnte in einem transdisziplinären bzw. partizipativ-öffentlichen Kontext zu einer vertrackten Kommunikation führen, wenn über den philosophischen Begriff keine diskursive Auseinandersetzung stattfinden würde. Zudem würde die rationale Hoffnung im soziotechnischen Kontext der Entsorgung erfordern, dass sich die technische oder technisch-geleitete Perspektive erweitert, um stärker auf die politischen Strukturen zu achten. Das kann eine positive Wirkung entfalten. Die auf Problemlösung orientierten Handlungen und Entscheidungen setzen einen rechtlich-politischen Rahmen voraus, der von ihnen zugleich beeinflusst wird. Dieser Rahmen sollte nicht zur Selbstverständlichkeit werden. Seine Anerkennung als ein Ziel, das aus vernünftigen Gründen weiterhin verwirklicht werden soll, sollte explizit erfolgen. Er wird durch die Qualität des Entsorgungsprozesses beeinflusst, und er ist ein Faktor für sicherheitsrelevante gesellschaftlich-politische Entwicklungen in der nahen und fernen Zukunft.
Dieser Beitrag ist im Rahmen des Vorhabens TRANSENS entstanden, einem Verbundprojekt, in dem 16 Institute bzw. Fachgebiete von neun deutschen und zwei Schweizer Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und im Niedersächsischen Vorab der Volkswagenstiftung vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) von 2019 bis 2024 gefördert (FKZ 02E11849A-J).
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Fußnoten
1
Zwei Annahmen liegen dem zugrunde: eine Konzeption der Gesellschaft als zugleich System und Handlungssphäre (Habermas 1987, S. 173 ff.) sowie ein nicht deterministisches Weltverständnis.
 
2
Kontingenz wird hier im Anschluss an H. Krämers Analyse der Zuversicht im Sinne der „Nichtbestimmbarkeit des Zukünftigen“ verstanden: Einerseits können Ereignisse so oder anders sein bzw. sich gar nicht ergeben. Andererseits ist es nicht möglich, eine Übereinstimmung von Handlungsabsichten und Handlungsergebnissen herzustellen oder vorherzusehen (Krämer 2021, S. 29).
 
3
Unterschiedliche Ansätze der transdisziplinären Forschung stehen mittlerweile zur Verfügung. Die Grundentscheidung, welcher davon angewendet werden soll, hängt vom konkreten Fall ab. Für eine Übersicht siehe z. B. Thompson 2014, Jahn et al. 2021 und Maasen 2010.
 
4
Über einzelne Aspekte dieser Definition wird diskutiert und die unterschiedlichen Verständnisse prägen die Debatten in der politischen Philosophie über die Rolle der Hoffnung (Blöser et al. 2020). Wichtig ist festzuhalten, dass es sich bei der so definierten Hoffnung um eine Einstellung handelt, die auf ein Objekt (z. B. ein Ereignis) bezogen ist. Davon unterscheidet sich ein Konzept der „basalen“ Hoffnung, die auf die Zukunft aber nicht auf ein bestimmtes Objekt gerichtet ist (Blöser et al. 2020, S. 2).
 
5
Roser formuliert an der Stelle eine Korrelation zwischen einer geringen Wahrscheinlichkeit, das Erhoffte zu erreichen, und dem Risiko des Wunschdenkens: Je geringer die Wahrscheinlichkeit, das Erhoffte zu erreichen, desto größer das Risiko, in Wunschdenken zu geraten. Anschließend formuliert er die zwei o.g. Probleme. Die Korrelation finde ich nicht klar und sie wird im Text nicht begründet. Zentral in der Analyse ist jedoch vielmehr, dass in der Konstellation „starker Wunsch nach“ plus „geringe Wahrscheinlichkeit von“ einem Ereignis die Qualität des Glaubens beeinflusst wird: Er ist nicht mehr wahrhaftig/begründet. Die implizite Prämisse ist dabei, dass der starke Wunsch keine gute Grundlage für den Glauben ist, was in der Bedeutung von „Wunschdenken“ erfasst wird.
 
6
Die zwei Szenarien „hybrider Angriff“ und „organisierter Gewaltkonflikt“ in Eckhardt (2021a, S. 41 f. und S. 47 f.) illustrieren dies für die internationale Ebene anhand zwischenstaatlicher Konflikte bzw. Krieg bei zugleich interner Stabilität.
 
7
Diese Prüfung ist vergleichbar mit der oben betrachteten Abwägung von Kosten und Nutzen, die Roser unternimmt und auch das Objekt der Hoffnung nach seiner Möglichkeit und Wünschbarkeit prüft.
 
8
Mit „Zuversicht“ übersetzt Krämer das englische Wort „hope“ bei den Autoren der Schottischen Aufklärung, die er betrachtet – David Hume, Adam Ferguson und Adam Smith. Er begründet seine Übersetzung (2021, 28–29), spricht aber sowohl von „Zuversicht“ als auch von „Hoffnung“ in seinem Text und ich zitiere hier entsprechend. Auf die Begründung gehe ich später im vorliegenden Abschnitt ein.
 
9
Eine solche Strategie wäre z. B. die Quantifizierung von Ungewissheiten. Meine Annahme ist, dass eine solche Strategie bereits den Einfluss vom Pessimismus oder Ratlosigkeit begrenzen könnte und somit die Hoffnung im Sinne Moellendorfs überflüssig machen würde. Quantifizierung könnte jedoch zu einer „Überschätzung der Beherrschbarkeit“ verleiten. Auch wenn sie nicht direkt auf anthropogene Ungewissheiten angewendet werden könnte, ist dieses Risiko nicht zu ignorieren, da anthropogene Ungewissheiten nicht isoliert im Entsorgungskontext bestehen und Quantifizierung in diesem Kontext angewendet wird. Wichtig ist daher, die positive Funktion der Zuversicht zu verdeutlichen: Gemäß der Analyse würde sie sich aus einer Abwägung ergeben, sodass nicht allein die Möglichkeit der Quantifizierung in einem konkreten Fall ausschlaggebend, sondern auch die Prüfung von Annahmen, die Berücksichtigung von anderen Erfahrungen oder die Herstellung von Zusammenhängen hinzuziehen wäre.
 
10
Die semantische Angemessenheit betrifft die Bedeutung, d. h. inwiefern wir den Begriff von Hoffnung in kontextspezifischen Diskursen eindeutig und nicht mehrdeutig verwenden. Die ethisch-praktische Angemessenheit betrifft die Frage, ob es gut ist, Hoffnung in Bezug auf ein Objekt zu pflegen oder nicht, und was jeweils dafür oder dagegen spricht.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Hoffnung und Zuversicht für 1 Million Jahre
verfasst von
Rosa Sierra
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42698-9_3