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Open Access 08.05.2024 | Originalarbeit

Nachhaltige Antriebssysteme für künftige Flugzeugsysteme

verfasst von: Franz Heitmeir

Erschienen in: e+i Elektrotechnik und Informationstechnik

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Zusammenfassung

Die steigende Erderwärmung und die erforderlichen Maßnahmen, um diese einzudämmen, sind Themen, für die möglichst bald von den Naturwissenschaftler:innen und Ingenieur:innen Lösungen gefunden werden müssen. Die Diskussion um die Art der künftigen Mobilität hat mittlerweile alle Bereiche erfasst, von Autos, Lastkraftwagen und Schiffen bis hin zu Flugzeugen. Leider ist das Thema sehr komplex, systemübergreifend, politisch und ideologisch besetzt. Vieles ist nur mithilfe gemeinsamer internationaler Anstrengungen zu lösen.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Die steigende Erderwärmung und die erforderlichen Maßnahmen, um diese einzudämmen, sind Themen, für die möglichst bald von den Naturwissenschaftler:innen und Ingenieur:innen Lösungen gefunden werden müssen. Die Diskussion um die Art der künftigen Mobilität hat mittlerweile alle Bereiche erfasst, von Autos, Lastkraftwagen und Schiffen bis hin zu Flugzeugen.
Leider ist das Thema sehr komplex, systemübergreifend, politisch und ideologisch besetzt. Vieles ist nur mithilfe gemeinsamer internationaler Anstrengungen zu lösen.
In den allermeisten Bereichen ist bisher auch noch keine Richtung erkennbar, die man als „Durchbruch“ bezeichnen könnte. Die steigende Bevölkerungszahl relativiert die bisher erreichten Fortschritte. Die Flugzeugflotte mit den kontinuierlich wachsenden Flugbewegungen bildet da keine Ausnahme. Die Herausforderungen sind bei der Luftfahrt ganz besonders groß. Z. B. wird bei Flugantrieben, die in den nächsten Jahren neu in Dienst gestellt werden, aus vielen nachvollziehbaren Gründen nur an der inkrementellen Verbesserung existierender Technologien gearbeitet. Oft ist man dort jedoch schon sehr nahe am technologisch Machbaren, so dass die umweltrelevanten Verbesserungen überschaubar sind. Gänzlich neue, alternative Antriebssysteme mit wenig oder keinem Schadstoffausstoß sind eine enorme Herausforderung und die noch zu lösenden technologischen Hürden sind äußerst zahlreich.
Als Alternativen zu fossilem Kraftstoff werden zur Zeit Elektroantriebe, hybrid-elektrische Systeme, Brennstoffzellen, Bio-Kraftstoffe, e‑Fuels und Luftfahrtkraftstoffe, die nicht auf fossilen Energieträgern beruhen (SAF, Sustainable Aviation Fuel) diskutiert. Die Wissenschaftler und die Industrie untersuchen und bewerten zurzeit enorm viele unterschiedliche Konzepte, ohne dass sich auch nur annähernd andeuten würde, wohin schlussendliche die Serienanwendung geht.
Reine Elektroantriebe sind scheinbar in vielen Bereichen der Mobilität die optimale Lösung. Das Adjektiv „scheinbar“ wurde bewusst gewählt, da man, je nach Betrachtungsweise und insbesondere je nachdem wo die Systemgrenzen gezogen werden, zu sehr unterschiedlichen, teilweise konträren Ergebnisse kommt.
Rein auf dem Papier wäre bei der ausschließlichen Betrachtung des „Systems Flugzeug“ ein ausschließlich elektrischer Antrieb mit Batterien die beste Lösung, denn dann würden während der Flugmission weder Stickoxide, Kohlendioxid, Wasser, Rußpartikel noch andere Schadstoffe entstehen. Für die reine Flugmission wäre das optimal. Das blendet natürlich die bekannten Problematiken der Batterieherstellung, der Rohstoffverfügbarkeit, der Umweltbelastung durch die Gewinnung der seltenen Rohstoffe, die oft damit verbundenen nicht optimalen Arbeitsbedingungen in diesen Minen aber auch die Entsorgung der gealterten Batterien aus.
Erschwerend im Vergleich zur Mobilität auf der Straße kommt bei Flugmissionen dem Gesamtgewicht der Antriebsanlage eine entscheidende Bedeutung zu. Zudem sind deutlich höhere Sicherheitsstandards zu beachten. Insbesondere wegen der – notwendigen(!) – hohen Sicherheitsanforderungen in der Luftfahrt sind die Industriefirmen sehr zurückhaltend, was die Einführung radikal neuer Technologien anbelangt.
Die in der Luftfahrt typische lange Zeit bis zur Einführung neuer Technologien kann sehr schön am Beispiel des „Getriebefans“ (Geared Turbofan, GTF) für Antriebe von Mittelstreckenflugzeugen gezeigt werden. Leistungsmäßig kleine Antriebsysteme werden seit über 60 Jahren mit Getrieben ausgestattet und man weiß auch seit dieser Zeit um die Vorteile bei leistungsstärkeren Antrieben. Es dauerte jedoch bis ins Jahr 2015, bis die ersten Mittelstrecken-Flugzeuge mit diesem Antriebssystem serienmäßig ausgeliefert wurden (A 320 NEO – New Engine Option).
Daher ist auch zu vermuten, dass noch eine lange Zeit verstreichen wird, bevor Antriebssysteme mit „null“ Umweltbeeinflussung serienmäßig bei den Flugzeugen zu sehen sein werden. zudem greift die ausschließliche Konzentration auf die Vermeidung von CO2 Ausstoß sowohl bei Flugzeugen als auch bei landgebundenen Systemen viel zu kurz.
Gerade bei Flugantrieben dominiert die erforderliche Leistung die Sinnhaftigkeit und technologische Machbarkeit der verschiedenen Antriebssysteme. Abb. 1 zeigt die Größenordnungen der installierten Leistung für unterschiedliche Transportsysteme. Dabei ist zu erkennen, dass gerade bei Mittelstrecken- und Langstreckenflugzeugen hohe installierte Leistungen vorliegen müssen.
Je nach Leistungsbedarf ergeben sich unterschiedliche Lösungen für sinnhafte Antriebssysteme. Für unbemannte Kleinstfluggeräte (Drohnen) ist der Batterieantrieb auch heute schon unschlagbar. Gleiches gilt bei unbemannten kleinen Fluggeräten. Bei bemannten Kleinflugzeugen mit ca. 10 bis 20 Personen sind die Herausforderungen schon deutlich höher. Momentan gibt es eine Vielzahl von Firmen, die solche „Lufttaxis“ entwickeln. Die Konzepte sind hochinteressant und unterscheiden sich teilweise recht deutlich voneinander. So richtig durchgesetzt hat sich in der westlichen Welt bisher noch kein Unternehmen. In China gibt es ebenfalls eine sehr aktive Industrie, die sich mit elektrisch betriebenen Lufttaxis beschäftigt und offensichtlich auch schon kommerziellen Personentransport betreibt. Leider lassen sich viele dieser Nachrichten nicht eindeutig verifizierten.
Es kann vermutet werden, dass das batterieelektrische Fliegen auf diesem Gebiet auch ihr größtes Einsatzgebiet haben wird. Sobald es zu größeren Leistungen geht, tauchen auf der elektrischen Seite weitere, sehr große Herausforderungen im Bereich der
  • Stromwandler,
  • der kabelgebundenen Leistungsübertragung,
  • der Frequenzregelung (Leistungskontrolle),
  • sowie Isolationsprobleme bei Höchstspannungsleitungen in größer Höhe auf.
Zudem kommt bei Fluggeräten mit größerer Passagieranzahl und Nutzlast der bekannte Nachteil des hohen Batteriegewichtes entscheidend zum Tragen. Die gravimetrische Leistungsdichte ist für diesen Anwendungszweck zu gering. Die Abb. 2 stellt die verschiedenen Energiequellen hinsichtlich ihrer gravimetrischen und volumetrischen Dichte gegenüber.
Im Folgenden sollen die Vor- und Nachteile der am meisten diskutierten alternativen Antriebssysteme zusammengefasst dargestellt werden.

1 Brennstoffzelle

Brennstoffzellen liefern elektrischen Strom mit denen, ähnlich wie bei Batterien, die Propeller angetrieben werden können. Der große Vorteil ist, dass der Strom über chemische Reaktionen erzeugt werden kann und das System daher gewichtsgünstiger ist. Nachteilig wirken sich die noch nicht ausgereifte Technologie und der Bedarf an hochreinem Wasserstoff aus. Zudem ist ein in großen Flughöhen ausgestoßener Wasserdampf auch ein klimaaktives Gas, von daher ist die Klimaneutralität nicht gegeben. Da ca. 40 % der eingesetzten Energie als Abwärme anfallen, ist dessen „Beseitigung“ ebenfalls noch eine große technische Herausforderung.

2 Direkte Verwendung von Wasserstoff (H2) als Kraftstoff

Wasserstoff wurde und wird sehr häufig als „die“ Lösung präsentiert, mit der alle Umweltprobleme gelöst sind. Stationär und bei großen mobilen Systemen (Schiffen, Zügen) kommen dessen Vorteile auch zum Tragen. Bei der Anwendung in der Luftfahrt sind dessen „ungünstige“ physikalische Eigenschaften jedoch gravierend, siehe Abb. 2. Erschwerend kommt zudem bei Luftfahrtanwendungen hinzu, dass im Abgasstrahl sowohl Wasserdampf als auch Stickoxide enthalten sind und daher die Einordnung als umweltfreundlicher Kraftstoff nicht zutrifft. Aus Gewichtsgründen kommt bei Luftfahrtanwendungen nur kryogener Wasserstoff (−253 oC) in Frage. Dessen Lagerung und Handhabung ist aber mehr als problematisch. Die Systeme so weit auszureifen, dass unter den strengen Auflagen der Luftfahrtsicherheit kommerzieller Personentransport durchgeführt werden darf, wird noch viele Jahre dauern.

3 Sustainable Aviation Fuel (SAF)

Sofern SAF in ausreichender Menge und zu akzeptablen Kosten zur Verfügung stehen würde, könnte dieser Kraftstoff relativ schnell das auf fossilen Energieträgern basierende Kerosin ersetzen (drop in fuel). Leider sind die weltweiten Produktionskapazitäten noch sehr begrenzt und die Kosten hoch. Die zur Produktion notwendige „grüne Energie“ steht heutzutage ebenfalls noch nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. Dieser Kraftstoff scheint jedoch für die überschaubare Zukunft einer der Wege zur Reduktion der Umweltfolgen zu sein. Nicht gelöst sind damit allerdings die Probleme des CO2 Ausstoßes in großen Höhen, der Stickoxide und die Wasserdampfbildung.
Diese kurze Zusammenstellung – die bei weitem nicht vollständig ist – zeigt sehr eindrucksvoll, dass es den optimalen emissionsfreien Flugzeugantrieb so schnell nicht geben wird, da vorher eine Reihe technischer Herausforderungen befriedigend gelöst werden müssen. Gerade deswegen sind äußerst umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf den unterschiedlichsten Gebieten erforderlich um künftig Antriebssysteme mit wenig Einfluss auf die Umwelt zu konzipieren und zu entwickeln.
Zu beachten ist auch, dass all die alternativen Kraftstoffe zur Herstellung „grüne“ Energie benötigen, die momentan in diesem Umfang gar nicht zur Verfügung steht. Analoges gilt natürlich beim Strom für die Batterien. In all diesen Bereichen sind weltweit noch enorme Anstrengungen notwendig. Zudem wäre gerade bei Wasserstoff und internationalen bzw. interkontinentalen Flügen eine weltweite Infrastruktur für die Wasserstoffproduktion, Verteilung und Betankung aufzubauen. Es ist also an sehr vielen Stellen eine enorme Anstrengung notwendig, um das Ziel eines nicht die Umwelt belastenden Flugverkehrs verwirklichen zu können.

4 Zusammenfassung

Bei Antrieben für kleine Fluggeräte scheint die Batterie eine mögliche Lösung. Bei Antriebssystemen für Fluggeräte mit größerer Personenzahl und Nutzlast ist jedoch momentan noch keine Antriebsart in Sicht, die genauso sicher und zuverlässig arbeitet wie die eingeführten Systeme, jedoch keinen nennenswerten Einfluss auf die Umwelt hat. Dies darf jedoch keinesfalls entmutigend wirken, sondern muss für junge Naturwissenschaftler und Ingenieur:innen Ansporn sein, hier massiv weiter zu forschen und Lösungen zu finden.
Aus Umweltgesichtspunkten sind all diese Lösungen immer unter dem Gesamtsystemaspekt zu bewerten. Damit verliert auch der batterieelektrische Antrieb viele seiner Vorteile.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Metadaten
Titel
Nachhaltige Antriebssysteme für künftige Flugzeugsysteme
verfasst von
Franz Heitmeir
Publikationsdatum
08.05.2024
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
e+i Elektrotechnik und Informationstechnik
Print ISSN: 0932-383X
Elektronische ISSN: 1613-7620
DOI
https://doi.org/10.1007/s00502-024-01212-1

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