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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

4. Diskussion

verfasst von : Karolin Höhl, Jana Dreyer, Silke Lichtenstein

Erschienen in: EssensWert - Werte als multidisziplinärer Sammelbegriff im Kontext von Ernährung

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Zusammenfassung

Die vorliegende, multidisziplinäre Betrachtung von Theorien im Kontext von Werten hat gezeigt, dass eine transdisziplinär anwendbare und interdisziplinär anerkannte Auffassung fehlt. Der vorliegende Text hat für dieses „Phänomen“ zahlreiche Erläuterungen gegeben, so bspw., dass die Bedeutsamkeit und Auslegung eines Wertes unter der jeweiligen Perspektive des wertenden aber auch des bewerteten Subjektes zu erfolgen hat.
Die vorliegende, multidisziplinäre Betrachtung von Theorien im Kontext von Werten hat gezeigt, dass eine transdisziplinär anwendbare und interdisziplinär anerkannte Auffassung fehlt. Der vorliegende Text hat für dieses „Phänomen“ zahlreiche Erläuterungen gegeben, so bspw., dass die Bedeutsamkeit und Auslegung eines Wertes unter der jeweiligen Perspektive des wertenden aber auch des bewerteten Subjektes zu erfolgen hat. Tierwohl und Tierschutz als bedeutsam zu erachten und dann „billig“ einzukaufen muss kein Widerspruch sein. Da die Ehrfurcht vor dem Leben ein sog. Meta-Wert ist, kann das Bekenntnis zum Tierwohl für Menschen als elementar angenommen werden. Hier ist aber bspw. aus der Verbraucherforschung bekannt, dass das Bekenntnis in der Rolle als Bürger*in zu Tierwohl und Tierschutz nicht unbedingt kongruent zur realen Ausgestaltung der Ernährungsweise als Konsument*in sein muss. Zwischen der wertgeleiteten Haltung und dem tatsächlichen Essen können von außen betrachtet zwei verschiedene Welten liegen (Theuvsen et al., 2016).
Kaube (2022) sagt, dass es eine Eigenschaft der modernen Gesellschaft sei, über keine eindeutige Begründung zu verfügen, was an ihr und in ihr wünschenswert sei. Es existierten im Kern einer Gesellschaft mehrere „Heiligtümer“, deren „Priesterschaften“ – also die jeweils Verfechtenden eines moralischen Wertes gegenüber einem anderen – sich auf verschiedene und divergierende Traditionen beziehen. Sich auf ein gemeinsames Skript zu einigen scheint unmöglich.
Fees (2022) erklärt die empirische Werteforschung zudem „blind“ für einen Wertebereich, der soziale Alltagspraktiken in einem hohen Maße mitbestimmt, nämlich die sog. konventionellen Werte „Schutz des Lebens“, „Würde des Menschen“, „Recht auf leibliche und psychische Unversehrtheit“, „Entfaltung der Persönlichkeit“, „Gesundheit“, welche in die Verfassung eingegangen sind, zur Einrichtung entsprechender Institutionen geführt haben, auch rechtlich geschützt und einklagbar sind und das reale soziale Handeln maßgeblich bestimmen. Dazu gehören auch die berühmten europäischen Werte „Menschenwürde“, „Freiheit“, „Demokratie“, „Gleichheit“, „Rechtstaatlichkeit“, Menschen- inkl. Minderheitenrechte.
Die oft unternommenen, Disziplinen-unabhängigen Versuche, die genannten konventionellen und europäischen Werte mit anderen Idealen zu typisieren, zu clustern oder gegenüberzustellen – ähnlich der zwei Seiten einer Medaille – kommt einem Bedürfnis nach Übersichtlichkeit und Systematik nach (Fees, 2022, S. 174 ff.). Es ist der Versuch einer Vereinfachung der Komplexität, der Dynamiken und Wechselbeziehungen der Bereiche untereinander jedoch ausblendet.
Nach systematischer Auseinandersetzung mit verschiedenen Werttheorien innerhalb des vorliegenden Textes lässt sich jedoch schließen, dass sich Individuen – situations-, kontext- und zeitabhängig – in mehrdimensionalen und offenen „Wertegebilden“ orientieren, die dynamisch, volatil, flexibel und anpassungsfähig sind. Eine dichotome in entweder – oder- bzw. schwarz – weiß-Systematisierung ohne Schnittmengen, hierarchisierende in wichtig – unwichtig- und normative richtig – falsch-Interpretation von Werten behindert einen beschreibenden und pluralen, also mehrschichtigen Wertediskurs, der der Komplexität gerecht wird und Zugangswege zur Transformation öffnet.
Die bisherige, wenn auch implizite, Hierarchisierung und Priorisierung einzelner Werte überhöht, was von einer Deutungshoheit als „ideal“ angesehen wird. Elementares ist – auch in der Interpretation nach dem Gossenschen Gesetz – weniger wert. Erst wenn es fehlt, fällt es auf. Vor allem innerhalb des aktuellen Diskurses zur Transformation des Ernährungssystem wird empfohlen die gesetzten Ess-Normen wieder in den konventionellen Werterahmen einzubinden und v. a. auf Aspekte der Menschenwürde und das Recht auf psychische Unversehrtheit hin zu prüfen. Zahlreiche Normierungen und Bewertungen von Essen und Essenden führen nämlich eher zum Gegenteil: Sie grenzen aus und stigmatisieren Abweichungen von der gesetzten Norm. Hierdurch können Menschen in einen Konflikt mit ihrer wertebasierten Identität geraten. Über alle Elemente des Ernährungssystems werden kooperative Lösungen benötigt, sodass einseitige Schuldzuweisungen und Verurteilungen von einzelnen Akteur*innen und Outcomes vermieden werden.
Im Zuge der Transformation des Ernährungssystems besteht die Herausforderung darin, Einvernehmen über das Vorgehen bei allen Akteur*innen zu schaffen. So können aus fragmentierten oder scheinbar komplizierten Wertetheorien innovative Ansätze entstehen, die auch die Vermengung von rationalen und moralischen Argumenten auflösen (Coveney, 2006).
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Metadaten
Titel
Diskussion
verfasst von
Karolin Höhl
Jana Dreyer
Silke Lichtenstein
Copyright-Jahr
2024
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-68713-0_4