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2024 | Buch

Bioökonomie und regionaler Strukturwandel

Wertschöpfung, Innovation und Nachhaltigkeit planen und umsetzen

herausgegeben von: Angela-Verena Hassel, Daniel Schiller, Stefan Seiberling, Christian Theel, Steffen Fleßa

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Buchreihe : SDG - Forschung, Konzepte, Lösungsansätze zur Nachhaltigkeit

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Über dieses Buch

Bioökonomie ist eine neue branchenübergreifende Form des Wirtschaftens, die das Potenzial hat, die bisherige Ökonomie und einzelne Regionen grundlegend zu verändern. Dieser Überzeugung folgend stellen die Herausgeber und Autoren dieses Buches den aktuellen Wissenstand aus Theorie und Praxis der Bioökonomie zusammen, entwickeln neue Methoden für einen bioökonomischen Strukturwandel und reflektieren bestehende Bioökonomiekonzepte. Der komplexe und vielschichtige Prozess einer pflanzenbasierten Bioökonomie in ländlichen Räumen wird aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Zunächst werden ökonomische Grundlagen sowohl aus gesamt- als auch aus einzelwirtschaftlicher Sicht diskutiert. Dem schließen sich Beispiele an, wie regionale Innovationsnetzwerke und Wertschöpfungsketten der Bioökonomie einen Beitrag zur nachhaltigen Regionalentwicklung und zum gesellschaftlichen Wandel leisten können. Die darauf aufbauende Analyse legt dar, wie verschiedene Akteure und Prozesse eine regionale Bioökonomie in der Praxis etablieren können. Ausgewählte Anwendungs- und Umsetzungsbeispiele für Innovationen pflanzenbasierter Bioökonomie im nordöstlichen Mecklenburg-Vorpommern runden das Buch ab und zeigen das Potenzial für eine Transformation der Wirtschaft in der Region und darüber hinaus.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einführung

Frontmatter
1. Bioökonomie – Definition und Dimension
Zusammenfassung
Wirtschaftswachstum und Regionalentwicklung – Potenziale, die in vielen Ländern und Regionen noch nicht ausgeschöpft sind, stehen oft im Konflikt zu globalen Nachhaltigkeitszielen. Die Etablierung des branchenübergreifenden Wirtschaftskonzepts „Bioökonomie“ kann Teil der Problemlösung sein. Im nachfolgenden Kapitel werden die historische Entwicklung des Konzepts sowie verschiedene Definitionsansätze näher beleuchtet. Die Bioökonomie strebt im engeren Sinne eine Steigerung der regionalen Wertschöpfung sowie der Nachhaltigkeit der Wirtschaft an. Dies soll durch die Anwendung wissensbasierter, innovativer Verfahren gelingen. Die Pfade, die zur Realisierung einer nachhaltigen Transformation notwendig sind, werden nachfolgend vorgestellt und näher erläutert.
Angela-Verena Hassel, Lena Stock, Mia Schmitz
2. Branchenüberblick
Zusammenfassung
Die Bioökonomie erstreckt sich über viele verschiedene Branchen und Wirtschaftszweige: von der Erzeugung von Biomasse, über die Verarbeitung bis hin zum Handel mit biobasierten Produkten. Sie gilt als Querschnittsbranche und fokussiert pflanzenbasierte Rohstoffquellen. Im folgenden Kapitel werden überblicksartig zentrale Branchen für den Standort Deutschland beschrieben und wichtige Entwicklungen skizziert. Darauf aufbauend werden konkrete regionale Beispiele biobasierter Produkte und Verfahren aufgezeigt, aus denen deutlich wird, welche Rolle die Bioökonomie in der Region nordöstliches Mecklenburg-Vorpommern spielt und dass sie auch im Alltag der Bevölkerung Einzug gehalten hat.
Angela-Verena Hassel, Christian Theel
3. Regionaler Strukturwandel
Zusammenfassung
Dieses Kapitel setzt sich mit dem Begriff des Strukturwandels auseinander und grenzt sektorale und regionale Zugänge voneinander ab. Der Fokus liegt auf der Bedeutung von Innovationen als Treiber des regionalen Strukturwandels sowie den besonderen Herausforderungen in strukturschwachen Regionen, die durch eine fehlende oder geringe Ausstattung mit Ressourcen und Akteur:innen gekennzeichnet sind und denen eine Teilhabe an den Dynamiken des aktuellen Strukturwandels erschwert ist. Es wird diskutiert, ob und in welcher Form der Strukturwandel zur Bioökonomie ein Hoffnungsträger für strukturschwache Regionen sein kann. Als wesentliche Handlungsfelder werden Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit Spezialisierung in der Bioökonomie, auf die Anforderungen der Bioökonomie zugeschnittene Innovationsinfrastrukturen, die Stärkung der Innovationsfähigkeit von Akteur:innen in traditionellen Branchen sowie die Stimulierung von Neugründungen und überregionalen Kooperationen abgeleitet.
Daniel Schiller
4. Plant3
Zusammenfassung
Wesentliche Impulse für eine Transformation des nordöstlichen Mecklenburg-Vorpommerns hin zu einer Bioökonomieregion werden durch das bundesgeförderte, regionale Bioökonomiebündnis Plant3 gesetzt. 2018 initiiert, vereinte das Bündnis nach kurzer Zeit bereits fast 100 Partner:innen, die sich aus Forschung, Unternehmen, Gebietskörperschaften und Nichtregierungsorganisationen zusammensetzten. Gemeinsam werden bioökonomische Produkte, Prozesse und Dienstleistungen entwickelt, die Wertschöpfung in der Region schaffen und damit einen Strukturwandel anregen sollen.
Im folgenden Kapitel werden Organisationsstruktur, Kernaufgaben und wesentliche Erfolge der ersten Umsetzungsphase beschrieben. Es wird deutlich, dass ein themenorientiertes, interdisziplinär zusammengesetztes Bündnis als sogenanntes „dedicated innovations system“ über fördertechnisch bedingtes, projektorientiertes und FuE-fokussiertes Arbeiten hinaus in der Lage ist, einer Region Sichtbarkeit zu verschaffen, Rahmenbedingungen für einen holistischen, partizipativen innovationsbasierten Transformationsprozess zu einer nachhaltigen Bioökonomie positiv zu beeinflussen und diesen voranzutreiben.
Christian Theel, Stefan Seiberling

Wirtschaftliche Grundlagen der Bioökonomie

Frontmatter
5. Grundzüge der Ökonomie
Zusammenfassung
Unternehmen der Bioökonomie stehen nicht außerhalb der marktwirtschaftlichen Ordnung, sondern müssen sich im Wettbewerb gegen die etablierte Konkurrenz klassischer Produktion durchsetzen. Hierzu ist es wichtig, eine Balance zwischen ökologischer Zielsetzung und ökonomischer Rationalität zu finden, die sich am besten einstellt, wenn vertiefte Kenntnisse der Ökonomie vorliegen. Bioökonomische Unternehmen können die Bedürfnisse nach Sicherheit bzw. Nachhaltigkeit wachsender Bevölkerungsgruppen stillen und haben damit eine wichtige ökonomische und gesellschaftliche Funktion, die sie aber nur wahrnehmen können, wenn sie tatsächlich auf die Bedürfnisse ihrer Kund:innen eingehen. Eine hohe ethische Orientierung und eine feste Überzeugung des Unternehmers allein garantiert nicht den dauerhaften Erfolg des bioökonomischen Unternehmens, sondern sie muss mit betriebswirtschaftlicher Kompetenz verbunden werden. Nur dann kann sie dauerhaft eine branchen-, raum- und gesellschaftsverändernde Kraft entfalten.
Steffen Fleßa, Angela-Verena Hassel
6. Innovationstheorie
Zusammenfassung
Bioökonomie ist eine Innovation, die das Potenzial hat, in wenigen Jahren zu einer Makroinnovation zu reifen, die die bisherige Form des Wirtschaftens grundlegend verändern kann. Bioökonomische Unternehmen produzieren nicht nur andere Produkte, sondern sie pilotieren eine bioökonomische Wirtschaftsstruktur in einer Region, bei der sich verschiedene Wertschöpfungsketten überlagern und verknüpfen. Hier kann ein Strukturwandel erfolgen, der als Innovationskeimling bereitsteht, wenn die traditionelle Wirtschaftsweise nicht mehr in der Lage ist, die Zukunftssicherheit zu gewährleisten. Um die Wirkung der Bioökonomie auf der Mikro-, Meso- und Makroebene zu verstehen, ist es notwendig, sie als Innovation zu verstehen, die von verschiedenen Promotoren gefördert wird, deren Diffusion aber auch zahlreiche Barrieren im Wege stehen. Jede erfolgreiche Umsetzung einer bioökonomischen Invention im räumlichen Verbund stellt ein weiteres Potenzial für die zukünftige Paradigmenänderung der Wirtschaft dar.
Steffen Fleßa, Angela-Verena Hassel
7. Implementierung bioökonomischer Innovationen
Zusammenfassung
Die Umsetzung des bioökonomischen Wirtschaftskonzepts kann nur gelingen, wenn die Entstehung neuer Wertschöpfungsketten sowie neuartige Zusammenschlüsse verschiedener Akteur:innen an der richtigen Stelle unterstützt und gefördert werden. Die benötigte Unterstützung muss für diverse Unternehmen und Akteursgruppen mit unterschiedlichster Innovationsneigung zugänglich und ansprechend sein. In diesem Kapitel werden überblicksartig bereits bekannte bzw. adaptierte Instrumente der Betriebswirtschaftslehre aufgezeigt, welche die Innovationsfähigkeit sowohl für Existenzunternehmen als auch Gründer:innen fördern können. Weiterführend werden die Anwendung und eine potenzielle Adaption der Instrumente aus einer bioökonomischen praxis- und beratungsorientierten Sicht betrachtet.
Mia Schmitz, Angela-Verena Hassel, Martin French, Susanne Henne

Bioökonomie und Regionalentwicklung

Frontmatter
8. Soziotechnische Transformation und nachhaltige Regionalentwicklung
Zusammenfassung
Die Etablierung einer nachhaltigen Bioökonomie erfordert eine grundlegende Veränderung bestehender Wirtschaftsformen. Dieses Kapitel führt als Grundlage für das Verständnis derartiger Transformationen zunächst den klassischen Innovationsbegriff und das Konzept der soziotechnischen Systeme ein. Vor diesem Hintergrund werden Treiber und Hemmnisse einer Transformation zur Bioökonomie diskutiert. Das Wirtschaftskonzept der Bioökonomie berührt verschiedene soziotechnische Systeme (z. B. Landnutzung, Ernährung, Energie, industrielle Produktion) und ist in unterschiedliche Dynamiken der Transformation eingebettet. Die verschiedenen Zugänge zur Bioökonomie unterscheiden sich im Ausmaß der Transformation. Im Kontext der Regionalentwicklung wird diskutiert, unter welchen Voraussetzungen die Bioökonomie einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in ländlichen und strukturschwachen Räumen leisten kann und welche Bewertungsmaßstäbe dabei genutzt werden können.
Daniel Schiller
9. Regionale Bioökonomiepfade
Zusammenfassung
Pfadabhängige Entwicklung beschreibt Prozesse, in denen zukünftige Ereignisse von früheren Ereignissen und bestehenden Strukturen abhängen. Dieses Konzept ist in der evolutionären Wirtschaftsgeografie ein zentraler Ansatz zum Verständnis von Prozessen des regionalen Wandels. In diesem Kapitel werden zunächst Grundzüge der pfadabhängigen Entwicklung und Varianten der Entstehung neuer oder veränderter regionaler Pfade eingeführt. Darauf aufbauend wird diskutiert, unter welchen Voraussetzungen nachhaltige regionale Entwicklungspfade ausgehend von grünen Branchen entstehen können. Im Mittelpunkt stehen mögliche Treiber und Hemmnisse sowie strukturelle Barrieren mit besonderem Fokus auf strukturschwache Regionen. Abschließend werden in der Literatur dokumentierte Fallbeispiele der Entwicklung regionaler Bioökonomie-Pfade vorgestellt und daraus Besonderheiten der regionalen Pfadentwicklung im Bereich der Bioökonomie abgeleitet.
Lena Stock, Daniel Schiller
10. Wertschöpfungssysteme in der Bioökonomie
Zusammenfassung
Das vorliegende Kapitel beleuchtet verschiedene Wertschöpfungssysteme der Bioökonomie, wobei die wesentlichen Rohstoffquellen, Verfahrensprinzipien und Endprodukte ebenso im Vordergrund stehen wie der Einfluss räumlicher Aspekte. Konkret liegt der Fokus auf der pflanzenbasierten, holzbasierten und marinen Bioökonomie, die mit Hilfe eines Unternehmensbeispiels aus Nordostdeutschland jeweils praxisnah illustriert werden. Die Ergebnisse zeigen, dass der Einsatz von Kreislauf- und Kaskadensystemen, der Bezug regionaler Rohstoffe sowie ein vielfältiges Produkt- und Leistungsportfolio in der entsprechenden Nische zu hohen Wertschöpfungsanteilen in den Unternehmen – und damit in den ländlich geprägten Regionen – führen. Die Innovations- und Wertschöpfungspotenziale in den betrachteten Systemen erscheinen allerdings noch längst nicht ausgeschöpft, was insbesondere für den Aufbau dezentraler Verarbeitungskapazitäten für die produzierte Biomasse gilt.
Oliver Klein
11. Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel
Zusammenfassung
Der Leitgedanke einer „Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel“ steht im Mittelpunkt der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“. Demzufolge wird die Transformation zu einer biobasierten Wirtschaft nur dann erfolgreich gelingen, wenn ein begleitender Partizipations- und Kommunikationsprozess unter Einbindung von Bürger:innen stattfindet. Auf diese Weise lassen sich aufkeimende Zielkonflikte zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Belangen frühzeitig erkennen und moderieren. Das vorliegende Kapitel greift diese Thematik auf und gibt zunächst Einblicke in die Akteurs- und Interessensvielfalt im Bioökonomiesektor. Daraufhin folgt ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu Partizipationsprozessen in der Bioökonomie, wobei auch zentrale Herausforderungen für die praktische Umsetzung herausgearbeitet werden. Schließlich werden konkrete Empfehlungen für die Implementierung einer partizipativen Bioökonomiestrategie in der Region nordöstliches Mecklenburg-Vorpommern abgeleitet.
Oliver Klein, Daniel Trebing, Christine Tamásy

Etablierung einer regionalen Bioökonomie

Frontmatter
12. Methoden zur regionalen Innovationsanalyse der Bioökonomie
Zusammenfassung
Im Zuge der Etablierung einer regionalen Bioökonomie kann die regionale Innovationsanalyse dazu dienen, die Beschaffenheit des bestehenden Innovationssystems der betrachteten Region zu untersuchen und relevante Akteur:innen sowie deren Innovationsneigung mit Bezug zur Bioökonomie zu ermitteln. Mit diesem Ziel werden im folgenden Kapitel verschiedene methodische Ansätze zur regionalen Innovationsanalyse im Kontext der Bioökonomie vorgestellt und diskutiert. Um die besonderen Eigenschaften der Bioökonomie als heterogenes, noch nicht standardisierbares und sich schnell weiterentwickelndes Wirtschaftskonzept zu berücksichtigen, sollten in die Analyse des Innovationssystems sowohl quantitative als auch qualitative Methoden einbezogen werden. Im Einzelnen werden vier Forschungsmethoden vorgestellt, die in Kombination eine umfassende regionale Innovationsanalyse abbilden und im Rahmen von Plant3 Anwendung fanden. Die quantitativen Methoden umfassen eine Innovationsbefragung und datenbankgestützte Analysen. Als qualitative Methoden wurden Expert:inneninterviews sowie teilnehmende Beobachtung ausgewählt.
Lena Stock
13. Hochschulen als Treiber der innovationsbasierten Transformation
Zusammenfassung
Hochschulen kommt insbesondere in strukturschwachen Regionen im Kontext der Etablierung wissensbasierter Bioökonomie-Regionen eine besondere Rolle als regionale Treiber innovationsbasierter Transformationen zu. In diesem Kapitel wird einleitend ein Überblick über den Forschungsstand gegeben. Im Hauptteil dieses Kapitels erfolgt eine Analyse der Aktivitäten der Hochschulen im östlichen Mecklenburg-Vorpommern in den Bereichen Forschung, Lehre und Transfer mit besonderem Fokus auf ihren Beitrag zur Etablierung einer Bioökonomie in der Region. Die Ergebnisse dieser Analyse werden abschließend vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsstandes eingeordnet und reflektiert.
Stefan Seiberling, Daniel Schiller
14. Gründungsmanagement und Start-ups
Zusammenfassung
Die Transformation der Wirtschaft, in deren Ergebnis Nachhaltigkeit ins Kerngeschäft der Unternehmen integriert wird, braucht innovative Ideen. Sogenannte „Green Start-ups“, innovative und wachstumsorientierte junge Unternehmen, die neben dem wirtschaftlichen Erfolg insbesondere daran interessiert sind, zur ökologischen Nachhaltigkeit beizutragen, werden dabei eine Schlüsselfunktion einnehmen. Mecklenburg-Vorpommern bietet grünen Gründungen besonders förderliche Bedingungen. Ihr Anteil an der Gesamtanzahl der Gründungen nimmt deutschlandweit einen Spitzenplatz ein. Die bestmögliche Beratung dieser grünen Gründungen wird einen entscheidenden Beitrag leisten, um die Ideen zum Erfolg zu führen. Die Erarbeitung und Etablierung entsprechender Beratungsangebote und -instrumente bilden einen zentralen Aspekt der regionalen Aktivitäten. Nur durch die Bündelung der unterschiedlichen Expertisen wird man dem spezifischen Bedarf nachhaltiger Gründungen gerecht werden können. In diesem Sinne soll in MV ein Berater:innennetzwerk speziell für grüne und damit auch bioökonomische Gründungen aufgebaut werden.
Gudrun Mernitz
15. Transformation von Bestandsunternehmen
Zusammenfassung
Die Bioökonomie umfasst eine Vielzahl von Anwendungsbereichen und Akteur:innen, wobei die konkrete Zuordnung unternehmerischer Teilhabe oftmals unklar ist. Im Fokus stehen neben der Umstellung der Wirtschaft auf biologische und erneuerbare Ressourcen vor allem die Aufwertung und Erweiterung der regionalen Wertschöpfungsketten. Noch gibt es jedoch keinen Leitfaden oder ein spezifisches Beratungskonzept für diese Transformation und Unternehmen stehen selbst in der Verantwortung, einzelne, sektorübergreifende Potenziale zu erkennen und Innovationsvorhaben gezielt zu erproben, um nachhaltige Geschäftsfelder zu entwickeln. Das damit verbundene Risiko wird getragen durch die Grundmotivation, ökonomisch, ökologisch und sozial zu wirtschaften. Eine bessere Vernetzung und optimierte Koordination bioökonomischer Stakeholder kann dabei helfen, Branchen- bzw. sektorbezogene Ansatzpunkte, mögliche Geschäftsmodelle und Unterstützungssysteme zu entwickeln. Regionale Innovationsvorhaben in diesem Bereich benötigen folglich eine praxisorientierte bioökonomische Unternehmensberatung und Wirtschaftsförderung, samt Maßnahmen und Werkzeuge für die Umsetzung.
Susanne Henne
16. Ganzheitlicher Dialogprozess im Bereich der Bioökonomie
Zusammenfassung
Die regionale Diskussionskultur der Bioökonomie profitiert besonders von einem starken und aktiven Akteursnetzwerk, das vor allem eine enge Verbindung zwischen engagierten Einzelakteur:inen, großen Wirtschafts- und Innovationstreibern, aber auch den Kommunen und der Bevölkerung kontinuierlich fördert und immer wieder neu vernetzt. Ein aktueller und zeitgemäßer Internetauftritt, digitale Beteiligungs- und Informationsformate wie der Bioökonomieatlas sowie die zahlreichen Innovationswettbewerbe, die mit niedrigschwelligem Zugang und vereinfachten Erklärungen für die breite Bevölkerung die Themen rund um die Bioökonomie erklären und im Alltag integrierbar werden, führten bereits zu strategischen Erfolgen und geben Hinweise für die Übertragbarkeit auf andere Bioökonomie-Regionen.
Wichtig sind außerdem Jugend- sowie Erwachsenenbeteiligungsformate mit umfangreichen Beiträgen für Strategieprozesse und enormer Strahlkraft. Sie lenken positive Aufmerksamkeit auf den regionalen Bioökonomiediskurs und gewinnen somit immer mehr Menschen für eine ganzheitliche gesellschaftliche Transformation.
Daniel Trebing, Beate Cuypers
17. Bildung und Verstetigung bioökonomischer Netzwerke
Zusammenfassung
Die Transformation zu einer Bioökonomie ist ein radikaler Wandel der Wirtschaftsweise. Um diesen Prozess anzustoßen und zu steuern, werden projektbasierte Förderungen für Einzelprojekte und Netzwerke durch öffentliche Förderer ausgereicht. Diese zeitlich und finanziell begrenzte Förderung ist in der Regel als Anschub für einen längerdauernden und finanzaufwändigen Prozess zu verstehen. Nach Beendigung der Förderung und erfolgreichem Projektverlauf ist es daher erforderlich, dass Projektergebnisse verwertet und insbesondere Netzwerke weitergeführt werden. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Verstetigung sind bereits in der Konzeption des Netzwerkes anzulegen. Zugleich geht es nicht darum, das Netzwerk in seiner ganzen Breite zu verstetigen. Vielmehr gilt es in der Regel, das Management und die Informations- und Kommunikationsplattform weiterzuführen, um ein Weiterbestehen des Netzwerkes abzusichern. Die anderen Leistungen können als „Eigenanteil“ durch die Netzwerkpartner:innen weitergetragen werden.
In diesem Kapitel werden die Bioökonomie-Netzwerke kategorisiert, Erfolgsfaktoren definiert, Netzwerkphasen dargestellt und Verstetigungsstrategien beleuchtet.
Stefan Seiberling

Anwendungsbeispiele aus dem nordöstlichen MV

Frontmatter
18. Überblick über das regionale Innovationssystem
Zusammenfassung
Kooperationen, Wissenstransfer, partizipativ erarbeitete regionale Strategien und deren Umsetzung - all das ist ohne ein Innovationssystem nicht oder nur schwer möglich. Und eben jene dynamischen Prozesse gestalten wiederum das regionale Innovationssystem stetig weiter. Die Interaktionen in einem solchen Ökosystem, Bedarfe der beteiligten Personen und Institutionen, Hemmnisse der Zusammenarbeit und infrastrukturelle Voraussetzungen für ein Gelingen von Innovationsprozessen werden im folgenden Kapitel am Beispiel des nordöstlichen Mecklenburg-Vorpommern dargestellt. Dabei wird auf die wesentlichen Akteure, die Steuerung des Innovationssystems, auf die benötigte Infrastruktur sowie Aspekte der Finanzierung eingegangen.
Christian Theel
19. BioÖkonomiezentrum Anklam
Zusammenfassung
Das BioÖkonomiezentrum Anklam (BÖZ) in Murchin bietet als Kompetenzzentrum für nachhaltiges Wirtschaften einen Ort, an dem bioökonomischer Innovationsgeist und Forschungsdrang unter dem Motto „Wirtschaft trifft angewandte Bioökonomie!“ direkt mit den universitären Einrichtungen des Landes zusammenarbeiten und gemeinsam Konzepte der Bioökonomie in die Zivilgesellschaft hineintragen. Mit seiner Kombination aus hoher Flächenverfügbarkeit und einer breit gefächerten Forschungslandschaft bietet das östliche Mecklenburg-Vorpommern einen einzigartigen Standortvorteil für das Kompetenzzentrum. Aktuell sind bereits mehr als ein Dutzend Firmen im BÖZ ansässig, welche sich der Herausforderung stellen, ökonomisches Wachstum mit ökologischer Verträglichkeit zu vereinen. Hierfür finden sie im BÖZ einen fruchtbaren Nährboden, da sich hier vielfältiges Know-how und Fachkompetenzen in räumlicher Nähe treffen, wodurch Synergieeffekte entstehen. Einige der zentralen Akteur:innen des Zentrums werden in diesem Kapitel vorgestellt.
Beatrice Großjohann
20. Bioökonomisches Forschungszentrum Rügen
Zusammenfassung
Die Entwicklung der Bioökonomie in einer Region braucht Kristallisationskerne, an denen innovative Produkte und Prozesse erprobt und erforscht werden können und an denen sich unterschiedliche Akteur:innen begegnen. Ein solcher Raum wurde mit dem Bioökonomischen Forschungszentrum Rügen (BFZR) geschaffen. Durch privates Investment wurde hier die Umnutzung eines bestehenden Industriestandorts realisiert und eine Vision, die explizit auch die Sensibilisierung der Bevölkerung für bioökonomische Themen integriert, verfolgt. Liegt der Fokus in der jetzigen Aufbauphase vor allem darauf, sich zum Modellstandort der blauen Bioökonomie zu entwickeln, geht die langfristige Strategie des Zentrums weit darüber hinaus. Die verfügbare technische Infrastruktur bietet vor allem Start-ups die Möglichkeit, neuartige Verfahren zur Entwicklung von Produkten niedrigschwellig über den Labormaßstab hinaus zu testen. Eine solche Infrastruktur ist auch für Forschende der Universitäten und Hochschulen der Region interessant, was sich in der Partnerstruktur des Bioökonomischen Forschungszentrums widerspiegelt. Die Lage des Zentrums in einer touristisch hochfrequentierten Region bietet zudem die Möglichkeit, Bioökonomie im Sinne einer „gläsernen Produktion“ einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich zu machen.
Nico Gruber, Benjamin Schmid
21. Verwendung von Nutzhanf zur Fütterung von Haus- und Nutztieren
Zusammenfassung
Unter den bioökonomisch relevanten Pflanzen erlebt der Nutzhanf derzeit einen beachtlichen Aufschwung. Viele Bestandteile der Pflanze lassen sich stofflich für eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte nutzen. Interessante ökologische Aspekte beim Anbau von Hanf und eben jenes Potenzial als variabler Rohstoff für biobasierte Produkte machen ihn so zu einer für die Bioökonomie interessanten Pflanze. Im hier vorliegenden Beitrag werden wissenschaftliche Erkenntnisse zur Verfütterung von Hanfsamen, -öl, -kuchen, -blättern, -stängel und Ganzpflanzen an unterschiedliche Haus- und Nutztierarten dargestellt.
So kann die Verwendung von Hanfsamen und Hanföl als Futtermittelzugabe die Ei- und Fleischqualität von Hühnervögeln positiv beeinflussen. Hanföl kann ebenfalls zur Verbesserung der Milchfettzusammensetzung laktierender Wiederkäuer eingesetzt werden. Auch Hanfkuchen stellt in geringen Mengen ein geeignetes Futtermittel für Geflügel und Schweine dar. Stets zu beachtender Parameter ist der Δ9-Tetrahydrocannabinol (Δ9-THC)-Gehalt als Folge von Verunreinigung durch Blätter und Stiele bei der maschinellen Verarbeitung. Aus dieser Problematik ergeben sich wissenschaftliche Fragestellungen rund um die Züchtung möglichst THC-freier Hanfsorten bzw. zur Eliminierung von Δ9-THC aus dem Futter.
Björn Kuhla
22. Treibsel als Rohstoff – Verwertungsansätze für einen Problemstoff
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag fokussiert sich auf die wirtschaftliche Verwertung von Strandanwurf bzw. Treibsel. In der Vergangenheit in vielfacher Art und Weise genutzt, stellt er heute für die Kommunen als „Abfall“ ein kostenintensives Entsorgungs-Ärgernis dar. Auf der Suche nach technisch machbaren sowie ökologisch und ökonomisch tragfähigen Verwertungspfaden wurden im EU-Interreg-BSR-Projekt „CONTRA“ mögliche Lösungswege erarbeitet, die hier vorgestellt werden. Dabei wurden sowohl stoffliche Nutzungsarten (z. B. Kompostherstellung, Deckmaterial zur Emissionsverminderung von Altlasten, Erosionsverminderung im Küstenschutz) als auch energetische Nutzungsarten (Sythesegasproduktion und vapothermale Karbonisierung) untersucht (Chubarenko et al., 2021a).
Neben technischen Machbarkeiten wurden dabei auch ökonomisch relevante Faktoren untersucht, die sich von Fall zu Fall deutlich voneinander unterscheiden. Hier sind vor allem die Verfügbarkeit des Materials (saisonal oder kontinuierlich), dessen Qualität (sortenrein oder vorsortiert, vollständig oder als Beimischung) sowie die Anschlussfähigkeit an bestehende Technologien zu betrachten.
Hendrik Schubert
23. Ökowertpapiere und nachhaltige Bioökonomie – Widerspruch oder Chance?
Zusammenfassung
Eine nachhaltige Landnutzung bei steigender Nachfrage nach biogenen Rohstoffen: ist das möglich? Unternehmen als wichtige zivilgesellschaftliche Akteur:innen zielen zunehmend nicht nur darauf ab, Emissionen zu vermeiden und Restemissionen im Rahmen eines „off-settings“ auszugleichen. Ziele des Klima- und Biotopschutzes erfordern vielmehr ein „in-setting“, also ein integriertes nachhaltiges Handeln entlang der gesamten Produktionskette. Waldaktie, MoorFutures, Streuobstgenussschein und HeckenScheck: Ökowertpapiere sind Zertifikate als Bescheinigung für freiwilliges Engagement zur Förderung von Ökosystemleistungen und Biodiversität. Sie sind als Instrumente für den freiwilligen Kohlenstoff- bzw. des Biodiversitätsmarktes entwickelt worden und transportieren als Bildungs- und Kommunikationsinstrument die gesellschaftliche Bedeutung der Ökosystemleistungen in vielfältige Zielgruppen hinein. Der Beitrag zeigt Bezüge zwischen nachhaltiger Bioökonomie und Ökosystemleistungen auf. Es wird dargestellt, wie Ökowertpapiere als „in-setting“-Instrumente Impulse zur Transformation von Wirtschaftsweisen beitragen können. Insbesondere kann die Bioökonomie in ihrer Ausrichtung zu einer nachhaltigen Wirtschaftsform unterstützt werden.
Sandra Kleine, Thorsten Permien
24. Paludikultur: Faserverarbeitung für unterschiedliche Zielmärkte
Zusammenfassung
Paludikultur (palus lat. Sumpf) ist eine Nutzungsalternative für derzeit land- und forstwirtschaftlich genutzte Moore. Für deren herkömmliche Nutzung werden die Moorböden entwässert und emittieren dabei den über lange Zeiträume festgelegten Kohlenstoff in Form von CO2. Um diese Klimawirkung zu reduzieren, aber weiterhin einen Ertrag auf der Fläche zu generieren, fokussiert Paludikultur auf die Wiedervernässung von Moorböden und Etablierung von standortangepassten Pflanzenarten – z. B. Schilf, Torfmoose, Rohrkolben, Erle, weitere Gräser – und deren Verwertung in (neuen) Zielmärkten. Dieser zumeist jährlich erntbare Rohstoff kann z. B. im Bereich Bau-, Dämm- und Werkstoffe, Papier und Verpackungen Plattformchemikalien und Biokunststoffe eingesetzt werden. Neben der THG-Reduktion durch Wiedervernässung (Torferhalt) können mit nachwachsenden Paludikultur-Rohstoffen fossile Rohstoffe ersetzt werden und Kohlenstoff in (langlebigen) Produkten festgelegt werden. Nach zwei Jahrzehnten F&E im Bereich Paludikultur ist nun eine großflächige Umsetzung notwendig, wofür u. a. (rechtliche) Rahmenbedingungen angepasst, (öffentliche sowie private) Finanzierung bereitgestellt werden müssen, um Planungssicherheit für Landwirt:innen und Verwerter herzustellen.
Anke Nordt, Wendelin Wichtmann

Schlussbetrachtung

Frontmatter
25. Zusammenfassung
Zusammenfassung
Das vorliegende Buch spannt einen weiten Bogen von grundlegenden Gedanken zur Bioökonomie bis zu konkreten Anwendungen. Das Ziel eines biobasierten Strukturwandels kann nur Realität werden, wenn die praktischen Beispiele nicht nur schöne Erfolgsgeschichten sind, sondern Fallstudien über das Erfolgspotenzial der Bioökonomie. Wo eine hohe Motivation für eine bessere, ressourcenschonende Lebensweise auf solide ökonomische Kenntnisse trifft, wo einzelwirtschaftliche Initiative auf regionalen Strukturwandel in einem Netzwerk stößt und wo Entrepreneure in Hochschulen ebenso Anregung wie Widerhall finden, dort kann aus der Idee der Bioökonomie ein neuer Standard werden – und Nordostdeutschland hat hierfür sehr gute Voraussetzungen.
Angela-Verena Hassel, Daniel Schiller, Stefan Seiberling, Christian Theel, Steffen Fleßa
26. Handlungsorientierter Ausblick
Zusammenfassung
Die Bioökonomie ist eine Makroinnovation mit dem Potenzial, unsere Gesellschaft und Wirtschaft grundlegend zu verändern. Allerdings stehen wir erst am Anfang, sodass viele positive Entwicklungen sich erst grundlegend abzeichnen und gleichzeitig gefährdet sind. Zahlreiche Akteure müssen zusammenwirken, damit aus diesem Potenzial ein neues Paradigma wird. Deshalb schließt dieses Buch mit einem Ausblick darauf, was Wissenschaft, Praxis, Politik und Studierende jeweils einzeln und vor allem gemeinsam tun können, damit aus dem „Traum“ einer wohlstandsfördernden, ökologischen Wirtschaftsweise Realität wird.
Angela-Verena Hassel, Daniel Schiller, Stefan Seiberling, Christian Theel, Steffen Fleßa
Metadaten
Titel
Bioökonomie und regionaler Strukturwandel
herausgegeben von
Angela-Verena Hassel
Daniel Schiller
Stefan Seiberling
Christian Theel
Steffen Fleßa
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-42358-2
Print ISBN
978-3-658-42357-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42358-2

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